Süskinds „Kontrabaß“ light

Idee und Glaubhaftigkeit blieben auf der Strecke

von Frank Becker

Thomas Braus - Foto: Wuppertaler Bühnen
Süskinds „Kontrabaß“ light
 
In der Inszenierung von Johannes Weigand
blieben Idee und Glaubhaftigkeit von Patrick Süskinds
genialem Erstling auf der Strecke.
 
In der Uraufführung von Patrick Süskinds Monodrama „Der Kontrabaß“ 1981 war Nikolaus Paryla der namenlose Niemand hinter dem edlen Instrument, der sein tragisch leeres Leben, seine Haßliebe zu dem voluminösen hölzernen Corpus und seine hoffnungslose Verehrung für die Mezzosopranistin Sarah ausbreitete. Süskind hatte die Rolle für Paryla geschrieben, ihm auf die Natur sozusagen. Und Paryla war, selbst inszeniert, 140 mal darin genial.
Es hat seither viele Interpretationen dieses sensiblen Stücks gegeben, das Veränderungen nur begrenzt duldet. Eine weitere, die keine Spuren hinterlassen wird, wurde jetzt in Wuppertal von Johannes Weigand mit Thomas Braus in der Rolle des Kontrabassisten hinzugefügt. Hat man anfangs noch das Gefühl, daß die Inszenierung Süskind respektiert, wird bald deutlich, daß von der Dramaturgie empfindlich eingegriffen wurde. Gewisse sprachliche und begriffliche Modernisierungen wären vertretbar. Hier aber wird Süskinds Figur  inhaltlich kastriert, denn alles ist gestrichen, was auch nur im Entferntesten den Eindruck politischer  Stellungnahme erwecken könnte. Der denkende Kontrabassist wird mit seiner Reduzierung auf den unglücklichen Musiker entmündigt.
 
Gestrichen wurden u.a. Reflexionen über die Nazi-Vergangenheit Karajans, über die Zweifel an Böhm und Furtwängler, gestrichen wurde jede Auseinandersetzung mit Wagner, zumal mit Hitler als Wagnerianer. Als ob Yehudi Menuhin kein Begriff mehr sei, wurde sein Name durch den von Ann-Sophie Mutter ersetzt, der historische Dirigent Carlo-Maria Giulini durch den heute populären Kent Nagano. Alles, was „anstößig“ klingt wie „Jüdin“ oder „Kommunist“ ist gestrichen. Wird der Zuschauer für so uninformiert oder schutzbedürftig gehalten, daß man ihm diese Passagen des Originals schonend vorenthält?
 
Aber dann gibt es ja auch noch den Darsteller, der sich durch das wenn auch sehr gestraffte Textbuch immerhin 90 Minuten lang hindurcharbeiten muß: quecksilbrig Thomas Braus, dem man anfangs noch die Liebe des Bassisten zu seinem Instrument abzunehmen bereit ist. Dann aber schafft er es nicht, Stimmungswechsel, Ausbrüche oder die Trunkenheit seiner Figur glaubhaft zu vermitteln. Er überzieht, besonders im intimen Moment der Identifikation des Instruments mit der geliebten Frau, er vernuschelt Passagen, und er ist endlich nicht mehr als ein Schauspieler, der angestrengt einen Bassisten spielt. Ziel nicht erreicht.