Bitterkomische Satire über den Durchschnittsbürger

„Einsamkeit und Sex und Mitleid“ von Lars Montag

von Renate Wagner

Einsamkeit und Sex und Mitleid
(Deutschland 2017) 

Regie: Lars Montag
Mit: Rainer Bock, Maria Hofstätter, Friederike Kempter, Lara Mandoki, Eva Löbau, Bernhard Schütz u.a.
 
Geschlechtsreife Großstädter sind wieder einmal auf der Kinoleinwand unterwegs, wobei man hier auch die Teenager dazu zählen kann, die einiges an Wissen und an Bedürfnissen zum Thema Sex mitbringen. Dieser deutsche „Patchwork“-Film, der viele verschiedene Schicksale locker mixt, basiert auf einem Roman von Helmut Krausser (hie und da klingt eine Erzählerstimme aus dem Hintergrund) und ist bitterkomische Satire und letztendlich gar nicht lustige Analyse dessen, was die scheinbaren Durchschnittsbürger so umtreibt.
Die branchenüblichen Übertreibungen und Überdrehungen sind natürlich inbegriffen, Kino ist auch (in ganz schön eindeutigen Sexszenen) als Ersatzbefriedigung für den Zuschauer gedacht, der vielleicht auch möchte, aber sich doch nicht so recht traut…
 
Ein Wutbürger, der im Supermarkt randalieren kann, weil dort eine gewisse Wurstsorte nicht geführt wird. Ein sehr unglücklich verheirateter Ingenieur mit Imker-Ambitionen, den die vegane, sexsüchtige Gattin nach allen Regeln der Kunst sekkiert und unbedingt eifersüchtig machen will, in der Hoffnung, damit für ihn wieder interessant zu werden. Der Leiter des Supermarkts, vom Wutbürger beschimpft, dessen Exfrau sich einen Call-Boy nimmt und mehr verlangt, als dieser zu leisten bereit ist. Eine Künstlerin, die ihre Opfer mit Farbe beschmiert und im übrigen „nur Sex“ möchte, jegliche Beziehungsgespräche öden sie an. Die Vierzehnjährige, die ihren deutschen Schulfreund verläßt, weil das Angebot des Migranten-Jungen sie mehr reizt. Da gibt es dann auch noch eine Nutte, den Mann, dessen Schuhe abhanden kommen (und der im Laufe des Geschehens vergessen wird), dessen blonde Freundin (Friederike Kempter, die Hübsche aus dem Münsteraner „Tatort“) sich unbedingt „befreien“ will… Eine Überfülle an Personen, die dramaturgisch nicht immer gebändigt wird.
Alles dreht sich offenbar um Sex – Sex im Internet und Sex auf Live-Bestellung, aber es gibt auch noch die üblichen psychologischen Beratungen, wo man bei Familienaufstellungen Vater und Mutter endlich einmal nach Lust und Laune verprügeln kann. Da werden Zerstörungsorgien angeboten, wo man Möbel zerdeppern darf, um seine Aggressionen abzureagieren. Und da entführt einer auch schon mal ein Kind und begeht einen kleinen Mord, wenn es gegen Ende ganz radikal wird.
Letztenendes kommen alle zu dem Schluß: Am glücklichsten ist der Mensch alleine, „…ich bin alles, was ich will“, Beziehungen, verdammt noch einmal, das klappt doch einfach nicht…
 
Der Film (Regie: Lars Montag) geht immer wieder zu weit, sowohl in der hektischen Montage der Szenen, die das Geschehen unübersichtlich macht, wie im Ausreizen des Verrückten, das dann von der Glaubwürdigkeit des Geschehens, die eigentlich gewahrt bleiben müßte, wegführt. Wenn allerdings eine Schauspielerin wie Maria Hofstätter (mit ihrem unverwechselbar österreichischen Tonfall) eine frustrierte Frau und hektische Mutter spielt – dann ist das geerdet, eine Studie, die aus dem Alltag abgeschaut ist. Sehr viel Traurigkeit bringt auch Rainer Bock als ihr Gatte mit (ein Sieben-Minuten-Fick auf einer Flughafen-Toilette, der in die Ehe führte, hat ihm das Leben versaut, meint er einmal), mit exhibitionistischer Selbstverständlichkeit exekutiert Eva Löbau eine Sexszene, die es in sich hat (und ihren Lover-Boy das Fürchten lehrt), eindrucksvoll driftet Bernhard Schütz von der Wut ins Abnorme ab, mit bemerkenswerter Kaltschnäuzigkeit holt sich Lara Mandoki Partner, von denen sie nichts will als… Sex. Glücklich wird keiner von ihnen.
 
Resümee: Sex als Allheilmittel hat nicht funktioniert, Mitleid gab es wenig, die Einsamkeit ist geblieben. Letztlich ist das gar nicht so übertrieben unterhaltend.
 
 
Renate Wagner