Beckfelds Briefe

An Manuel Neuer

von Hermann Beckfeld

Hermann Beckfeld - Foto © Dieter Menne
Er ist der beste Torwart der Welt, Weltmeister, Vorbild, fairer Sportsmann und Idol; ein Bayern-Star, dessen Herz dennoch immer königsblau schlagen wird. Und trotzdem pfeifen ihn die Schalker Fans in der Arena aus. Es sind Pfiffe, die schmerzen, die Unrecht tun, die er nicht verdient hat.
 
Lieber Manuel Neuer,

es gibt Augenblicke und Szenen, die haben sich fest eingebrannt in meiner Erinnerung. Momente, die mich beeindruckt haben, die mich immer noch berühren umso mehr, nachdem ich beim Spiel der Schalker gegen Ihre Bayern miterleben mußte, wie ungerecht, wie fies, wie kleingeistig königsblaue Fans Sie behandelt haben. Für die waren Sie der Judas, der Schalke verraten, der seine Leidenschaft für die Knappen verkauft hat.
   20. April 2011. In einer Pressekonferenz geben Sie bekannt, daß Sie Schalke verlassen werden. Erst können Sie Ihre Emotionen noch verbergen. Doch als Sie über Ihre Liebe zum Verein, zur Nordkurve und zu den Fans sprechen, deren Sprecher Sie eher informiert haben als Vorstand, Traíner und Journalisten, da fließen die Tränen.
   13. Julí 2014. Eine Szene aus dem WM-Endspiel, die am besten Ihren Einsatz für das Team, Ihren Siegeswillen verdeutlicht. Wie schon häufig in diesem Turnier stürmen Sie aus dem Tor, diesmal aber mit noch mehr Wucht, Entschlossenheit, fast brachialer Gewalt. Sie fliegen dem Ball und dem argentinischen Stürmer Higuaín entgegen, Ihre rechte Hand schnellt vor, und in letzter Sekunde boxen Sie die Kugel weg; der Stürmer stürzt zu Boden. Reporter reklamieren ein böses Foul, fordern die Rote Karte, doch die Zeitlupe spricht Sie frei.
   30. August 2014. Der zweite Bundesliga-Spieltag. Sie kommen als Weltmeister, als der beste Spieler unserer Mannschaft, als Fußballer des Jahres zurück auf Schalke, wo Sie immer alles gegeben haben. Wo Sie schon mit vier Jahren Mitglied wurden, wo Sie als kleiner Junge sehnsüchtig aus dem Dachfenster des Elternhauses auf das Parkstadion schauten. Und in jungen Jahren, als talentierter Nachwuchstorwart, extra früh zu den Heimspielen gingen, um Vorbild Jens Lehmann beim Aufwärmen zuzuschauen.
   Am 30. August 2014 saß ich in der dritten Reihe, auf Strafraumhöhe, konnte Ihr Gesicht sehen, als Sie nach der Seitenwahl zu Ihrem Tor gingen. Sie wirkten konzentriert, na klar, angespannt, aber auch irritiert. Denn von der Nordkurve schallte Ihnen ein gellendes Pfeifkonzert entgegen trotz der wunderbaren Wochen in Brasilien, trotz Ihrer großartigen Leistung und der schwarz-rotgoldenen Euphorie.
 
Lieber Manuel Neuer,
Hochachtung. Sie hatten dennoch den Mumm, den Anstand, wohl auch das Verlangen, die Nordkurve, auf der Sie mehr als ein Jahrzehnt als Fan mitgefiebert hatten, zu grüßen. Ein kurzes, verhaltenes Handzeichen, mehr nicht. Es reichte mir, mich fremdschämen zu müssen für Schalke-Anhänger, die einem Fußball-Prolo wie Kevin-Prince Boateng zujubeln, nur weil er gerade das blau-weiße Trikot trägt.
Ganz ehrlich: Ich ging ins Stadion, um die übermächtigen Bayern, die am Tag zuvor mit Xabi Alonso den nächsten Superstar verpflichtet hatten, verlieren zu sehen. Doch nach dem Foul der Fans war mir das Ergebnis egal. Ich hatte aber Spaß daran, so kurz nach der WM in Brasilien einige deutsche Nationalspieler live zu erleben. Philipp Lahm, Benedikt Höwedes, Thomas Müller, Mario Götze und natürlich Sie, den Weltmeister, dem so Unrecht getan wurde. Dessen Herz aber immer Schalke gehören wird.
 
Ihr
Hermann Beckfeld
 
(13.09.2014)
 
 
Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlags Henselowsky Boschmann.
„Beckfelds Briefe“ erscheinen jeden Samstag im Wochenendmagazin der Ruhr Nachrichten.

Redaktion: Frank Becker