„der die mann“ von Konrad Bayer

Gastspiel der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin am Burgtheater Wien

von Renate Wagner

Wien – Burgtheater:
der die mann
von Konrad Bayer

Gastspiel der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin
25.April 2017
 
Es war die überbordende Lust am Unsinn, mit der die „Wiener Gruppe“, wie sie sich selbst nannten, Ende der Fünfziger Jahre ein graues Nachkriegs-Österreich schockierte. Konrad Bayer starb am frühesten (1964), H.C. Artmann später, drei von ihnen sind noch am Leben: einer, Gerhard Rühm, 87jährig, wurde im Burgtheater gesichtet, als die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz aus Berlin kam, um ihre gefeierte und preisgekrönte Aufführung von Bayer-Texten, genannt „der die mann“, zu zeigen.
Es ist, wie man weiß, das Theater von Frank Castorf (gewesen, das heißt, die Ablöse steht schon fest), aber der dort tätige Mittsechziger Herbert Fritsch (dessen Arbeiten viel „jünger“ wirken) ist zumindest für Wien der Shooting Star: Direktorin Karin Bergmann kann offenbar nicht genug von ihm bekommen.
Wie alle berühmt gewordenen „Regietheater-Regisseure“ unserer Tage hat Fritsch einen genau definierten Stil, den er nur geringfügig abwandelt, egal, was ihm vorliegt (in Wien hat er 2015 den „Eingebildeten Kranken“ und zuletzt im Jänner die „Komödie der Irrungen“ inszeniert). Sogar der riesige Grammophon-Schalltrichter (His Master’s Voice überdimensional), den man von ihm kennt, fehlt hier nicht. Und im übrigen ist Fritsch der Mann, der Sprach- und Körperslapstick grundsätzlich zum Exzeß treibt, egal, ob ein Stück darunter liegt oder nicht.
Wobei er natürlich in Konrad Bayer einen Bruder im Geist gefunden hat, der nicht – wie Molière – reklamieren wird, „Wo ist eigentlich mein Stück geblieben?“. Bayers Blödeltexte und Fritschs Blödelstil finden sich in harmonischer Schrille, wobei sich ein Teil des Burgtheaterpublikums schier totgekichert hat, ein anderer für dieses endlose Auswalzen des ewig gleichen weniger Belustigung aufbrachte.
Die Schauspieler kann man als Wiener Rezensent nur aufzählen, man kennt sie nicht, weiß nicht, wer welches Kunststückchen abliefern durfte: Florian Anderer, Jan Bluthardt, Werner Emg, Annika Meier, Ruth Rosenfeld, Axel Wandtke und Hubert Wild waren jedenfalls bewundernswert in ihrem Einsatz, die Bühne für zwei pausenlose Stunde in ein wüstes schnatterndes, plapperndes, tänzelndes Irrenhaus zu verwandeln. Sind sie anfangs, mit Halb-Gesichtsmasken, glänzend wie künstliche Porzellanpuppen, müssen sie dann in graue Brecht-Anzüge schlüpfen und unter Beatles-Pilzköpfen alle gleich aussehen.
Was sie bieten, ist absolut virtuos, wenn auch manchmal einfach nur der Abklatsch klassischer Slapstick-Nummern (etwa die Geschichte mit dem Mikrophon), die so gut wie immer zu lang ausfallen. Bayers Text, meist nicht verständlich (soll er auch nicht sein), windet sich in dem einen oder anderen Prachtstück dann zu Nonsense-Höhen (vor allem der „Franz“) – so schön hat nur noch Jandl auf österreichische Art die Sprache gedreht und gewendet, geschüttelt und getreten, ihres Sinns beraubt und doch etwas wie Tiefsinn hinein jongliert.
Der Abend wurde noch einmal wiederholt – aber es ist wirklich nicht jedermanns Sache. Und soooo unverwechselbar, unvergeßlich gut, wie alle Welt lobt, kann man die Produktion bei voller Anerkennung und Bewunderung der handwerklichen Brillanz von Ensemble und Regisseur dann auch wieder nicht finden.
 
Renate Wagner
 
Eine Übernahme aus dem Online-Merker, Wien mit freundlicher Erlaubnis der Autorin