Hanns Dieter Hüsch - Poet und Menschenfreund

„Das Schwarze Schaf vom Niederrhein“, „Der Fall Hagenbuch“, „Gegengesänge“ u.a.m.

von Frank Becker

Hanns Dieter Hüsch
Poet und Menschenfreund
 
Das Schwarze Schaf vom Niederrhein
Der Fall Hagenbuch
u.a.m.
 
Hanns Dieter Hüsch (1925-2005) hatte immer den Menschen im Blick, er deutete auf ihn, sagen wir es konkret: auf Sie und auf Sie und auf mich. Und wer ihm zuhörte, fand sich in den Alltagserzählungen, den Momentaufnahmen wieder, die er „Meine Geschichten“ nannte.
Vor elf Jahren ist Hanns Dieter Hüsch gestorben, doch bei Freunden des literarischen Kabaretts ist er so unvergessen wie sein Elan und seine nervösen Kreativität. Man darf ihn getrost als kabarettistisches Urgestein bezeichnen, er selbst sah sich als Bühnentriebtäter. Ob er bestätigen könne, was mir einmal ein kluger Mensch sagte: „Die Erziehung wirkt sich erst mit siebzig aus“? „Wissen Sie, ich bin nicht erzogen worden, ich wurde geliebt. Und nach der Kindheit ändert sich der Mensch kaum noch“, antwortete Hanns Dieter Hüsch 1997 in einem langen, gemütvollen Gespräch. Er hatte die Liebe, die er in seiner Jugend in Moers empfangen durfte, stets bewahrt, und sie war es, die seine Arbeit stets begleitet hat.
Seit 1947 machte er Kabarett und von 1949 an trat er in Solo-Programmen auf. Große Partnerschaften, wie z.B. 1983 und 1996 mit Franz Hohler sind reizvoll und wurden auch nicht aus den Augen verloren; das Solo blieb aber sein bevorzugtes Genre des Fachs. Und er beherrschte es wie kein zweiter. Das wußte auch sein treues Publikum, das die Säle bis auf den letzten Platz, ja sogar die Treppenstufen füllte, an seinen Lippen hing, sich herzlich amüsierte und Hüschs Heiterkeit und Wärme genoß.
 
Die Frage, ob er wisse, daß er Menschen mit seinen Texten glücklich zu machen verstehe, bejahte er bescheiden und fügte hinzu: „Genau das ist mein Ziel.“ Kunst muß helfen, konstatierte Hanns Dieter Hüsch - ein Erkennen und Lachen sei schon Hilfe. In einer Zeit, laut und hektisch wie die unsere, in der Egoismus und Aggression immer mehr Raum gewinnen, komme es darauf an, daß der Starke den Schwachen mitnehme, einer nicht dem anderen davonrenne. „Wir müssen einander genau ansehen, uns um Freundlichkeit bemühen.“
So gestaltete er auch seine Programme, in denen er voller Zuneigung von Begebenheiten und Dingen erzählte, die so alltäglich sind, daß wir sie nicht nur täglich erleben, sondern kaum noch beachten. Wenn wir aber hinschauen er machte das unvergleichlich vor - erkennen wir die Heiterkeit darin. Hüsch schaltet sozusagen die Zeitlupe ein und legt das Vergrößerungsglas an, zeigt Kleinigkeiten wie den verlorenen Mantelknopf (ohne die Scherenbewegung von der Gattin Finger zu vergessen) oder den Fleck am dreisilbigen Re-Ve-hers groß und deutlich und wird verstanden. Das Publikum im Saal jauchzte vor purer Freude, Ehepaare stießen sich vergnügt in die Rippen, ein jeder fand sich wieder und niemand wurde ausgegrenzt.
 
Ob Hüsch eines schönen Tages von seinem damaligen Wohnort Köln wie Ditz Atrops zurück an den Niederrhein kehren werde, ob die Heimat rufe, wollte ich damals im Gespräch wissen. „Meine Heimat ist meine Kindheit“, gab er zur Antwort, dorthin kehre er in seinen Erinnerungen und Geschichten oft zurück. Städte und Gegenden sind nicht mehr die der Jugend, die Zeit ist über vieles hinweggegangen, hat verändert, was vertraut war, die Liebe zum Niederrhein und seinen Menschen aber blieb. Für das Naturschutzgebiet Hetter zwischen Emmerich und Rees setzte sich Hüsch ein, auch finanziell - „Ich habe eine Schnepfe glücklich gemacht“, sagte er stolz, und man darf es ihm nachtun.
Ihn einen Kabarettisten zu nennen, wäre viel zu wenig, er war mehr: Hanns Dieter Hüsch war ein Poet und ein Menschenfreund, einer, der sich vor keinerlei Karren spannen ließ, der nur sich selbst und vielleicht noch dem lieben Gott, den er ab und zu in der Fußgängerzone von Dinslaken traf, Rechenschaft schuldete und pardon! natürlich seiner Frau. Ein Mann von beispielhafter Redlichkeit. Seit damals amüsiert, daß er vor etlichen Jahren dem Fernsehmenschen Rosenbauer auf eine entsprechende inquisitorische Frage nach seiner politischen Richtung antwortete: „Ich bin Privat-Sozialist“ - und es beruhigt, daß er es immer gewesen ist.
 
Wer in späteren Programmen wie „Meine Geschichten“ konkrete politische Inhalte oder Namen vermißt, die die früheren Jahre geprägt haben, sollte sich nicht versteigen, weniger Inhalte darin zu argwöhnen.  Wer erinnert sich nicht an die Frieda („Jetzt bindet er sein Pferd fest“, sagte die Frieda und wirklich, er band sein Pferd fest) an Hagenbuch (Hagenbuch habe - so Wiesendanger an Fugger - seinen Kopf neulich - unter dem Himmel von Stuttgart - völlig neu zusammengesetzt...) oder an Ditz Atrops („Ich hab' ja damals schon immer gesagt, der kommt wieder, alle vom Niederrhein kommen eines Tages wieder...) muß sich nun nicht mehr damit abfinden, daß diese Kapitel abgeschlossen waren. Zwar ist die Frieda ist gestorben - Hüsch hatte sie seiner ersten Frau Marianne gewidmet -, Hagenbuch hat sich - literarisch sehr passend - umgebracht, und Ditz Atrops ist tot - er wurde an einem Aschermittwochmorgen gefunden, rücklings mit ausgebreiteten Armen in einem Kahn auf dem Rhein treibend, die Augen dem Himmel zugewandt. Denn die Tacker Film Produktion hat für ihrem jüngsten Streich die Glanzlichter aus vier legendären Programmen zum ersten Mal auf DVD herausgebracht: „Show 69“, „Das Schwarze Schaf vom Niederrhein“, „Der Fall Hagenbuch“ und „Gegengesänge“ + ein paar Streiflichter aus anderen Programmen, u.a. der „Arche Nova“ (1958). Fast drei Stunden hochkarätigen Kabaretts erwarten uns, überwiegend Solo, „Show 69“ mit einem Musikensemble.
Wir feiern mit dieser DVD („N´abend zusammen!“) ein Wiedersehen mit seinem Niederrhein, mit Besuch in Moers und im „niederrheinischen Wohnzimmer“, mit der herrlichen „Nachfeier“, mit seinem „Traum von der Solidarität“ und den „Weltverbesserern“, mit Lothar Trappmann, in drei Geschichten mit Hagenbuch, mit dem Kerl, der gern Poet wär und dem politischen Moralisten Hüsch – ein Füllhorn.
 
In einem Gespräch mit Bernd Schroeder hat Hanns Dieter Hüsch etwas über sich selbst gesagt: „Ich möchte mir den Klang, den ich von klein auf in mir habe, bis an mein Lebensende bewahren. Er ist der Kern, aus dem ich lebe, mit dem ich das grausame praktische Leben bewältige. Er hat mich vor exzessiver Selbstzerstörung bewahrt, mich diszipliniert, aber nicht spießbürgerlich gemacht. Er ist von allem etwas, er ist, was ich zum Leben brauche. Und das lasse ich mir nicht nehmen. Von keinem Kommunismus und keinem Kapitalismus, von keinem Liberalismus und keinem Pragmatismus - und vom Christentum auch nicht. Das ist der Hüsch. Der Hüsch ist das.“ (Bernd Schröder, „Hanns Dieter Hüsch hat jetzt zugegeben“, Arche Verlag 1985)
 
Als er einmal nach etlichen Zugaben einen Auftritt mit seinem Programm „Meine Geschichten“ mit dem ernsten Text „Das Phänomen“, einer Warnung vor dem neuen Radikalismus abschloß wurde Hanns Dieter Hüsch mit minutenlangem stehendem Applaus gefeiert. Der Text ist heute noch so gültig wie damals.
Die Hoffnung, noch Neues an dieser Welt zu entdecken, sich selbst weiter zu entwickeln, trieb ihn stets voran. Was für ein Mensch!

Die neue Hüsch-DVD imt ihren raren Aufnahmen ist eine Kostbarkeit - des Erinnerns für jene, die ihn live haben erleben dürfen, des Kennenlernens für die, denen damit ein kluger, moralischer, ja weiser Mann vorgestellt wird, auf dessen Worte zu hören man auch heute noch gut beraten ist. Hanns Dieter Hüschs Werk hat Ewigkeitswert. Die DVD, von der MusenblätterRedaktion mit dem
Musenkuß ausgezeichnet, kann ab sofort bei Tacker Film bestellt werden
 
„Hüsch“
© 2017 Tacker Film /ZDF / SWF (SWR)
1 DVD
Mit: „Show 69“ (1969), „Das Schwarze Schaf vom Niederrhein“ (1978/82), „Der Fall Hagenbuch“ (1984), „Gegengesänge“ (1969/70), „Arche Nova“ (1958) u.a.m.
Gesamtspieldauer: ca. 160 Minuten
 
Weitere Informationen: tackerfilm.de/shop/products/