Man bekommt wirklich sehr viel für sein Geld geboten

„Fast & Furious 8“ von F. Gary Gray

von Renate Wagner

Fast & Furious 8
(The Fate of the Furious - USA 2017)

Regie: F. Gary Gray
Mit: Vin Diesel, Dwayne Johnson, Charlize Theron, Jason Statham, Luke Evans, Michelle Rodríguez, Helen Mirren, Kurt Russell, Tyrese Gibson, Elsa Pataky, Nathalie Emmanuel, Chris Bridges u.a.
 
Wenn es eine Filmserie wie „The Fast and the Furious“ schafft, sich über eineinhalb Jahrzehnte zu erstrecken und die Dollar-Milliarden nur so zu scheffeln, dann verzichtet man nicht darauf, nur weil ein Hauptdarsteller stirbt – selbst, wenn das Schicksal es so schaurig liebt, einen Mann, der durch Autoraserei-Filme berühmt wurde, bei einem Autounfall ums Leben kommen zu lassen. Das war Paul Walker, der als Polizist Brian O’Conner vom ersten Teil an dabei war, ebenso wie Vin Diesel und Michelle Rodriguez, die nicht immer auf der richtigen Seite des Gesetzes standen (was sich aber gebessert hat!).
 
Ab Teil 5 stieß Dwayne Johnson als Polizist dazu, ab Teil 6 kamen – als grimmige Gegner – die Brüder Shaw in Gestalt von Jason Statham und Luke Evans zum Team, in Teil 7 nahm Paul Walker seinen ungewollten Abschied (er starb während der Dreharbeiten und wurde teilweise als Körperdouble von seinen Brüdern ersetzt), und Kurt Russell durfte als amerikanischer Regierungsmann Pointen setzen. Und obwohl die Regisseure und die Drehbuchautoren abwechselten, blieb das Konzept der Filme gleich – möglichst atemberaubende und ohrenbetäubende Auto-Action, starke Typen mit knackigen Dialogen.
Und das Ganze so locker-ironisch dargeboten, daß man gar nicht auf die Idee kommt zu fragen, wie ernst das gemeint sein kann: Denn dann dürfte nach zehn Kinominuten ohnedies niemand mehr am Leben sein, so schreckliche Unfälle sind an der Kino-Handlung-Ordnung, wobei die Protagonisten unzerstört wie Comic-Figuren aus den komplett zertrümmerten Autowracks steigen…
 
Daß in Film 8 nun Brian O’Conner / Paul Walker nicht dabei ist, wird weiter nicht erklärt: Man hat immer noch Dominic Toretto (Vin Diesel) und seine verständnisvolle, ebenso der Raserei verfallene Letty (Michelle Rodriguez), die vor keiner Verrücktheit (und keinem Stunt) zurückschreckt. Und so geht es gleich in Havanna los (prachtvolle Luftaufnahmen von der Stadt, echt in Cuba gedreht!!!) – selbstverständlich ein Autorennen durch die Straßen, wobei Toretto mit einem alten Klapperkasten, dem die meisten Außenteile fehlen (wer braucht schon eine Kühlerhaube?), durch die Stadt fetzt und am Ende das Auto brennend ins Meer stürzen läßt, während er geschickt hinausspringt – gewonnen! (Es kommt nicht auf den Motor an, sondern nur darauf, wer am Steuer sitzt, verkündet er vollmutig – ob die Formel 1-Betreiber da zustimmen werden?)
Aber so richtig genußreich werden die Flitterwochen in Cuba nicht, denn plötzlich taucht eine wirklich attraktive Blondine auf und ist gar nicht lieb: In diesem achten Teil der Serie, der so Star-bestückt ist wie noch nie, übernimmt Charlize Theron die Rolle der Bösewichtin, der Cyber-Verbrecherin mit Namen „Cipher“, und sie macht das wirklich sadistisch-cool (nur ist ihr Gesicht so glatt, daß hier Mutter Natur sicherlich nachgeholfen wurde – vielleicht ist ihre Bösheit deshalb so unbeweglich). Kurz, sie erpreßt Toretto mit einem so starken Mittel (man erfährt erst später, was sooo wirkungsvoll ist), daß er sich bereit erklärt, ihr bei ihren düsteren Plänen zu helfen…
 
Dann schwenkt die Handlung zu Luke Hobbs alias Dwayne Johnson, dem Ex-Agenten, der – wie niedlich – eine Kleinmädchen-Mannschaft für ihr Fußballspiel trainiert und ihnen beibringt, ihre Gegnerinnen im Stil eines Maori-Kriegstanzes zu bedrohen. Aber der Mann wird gebraucht, ebenso wie der Rest des „Teams“ von Toretto – zwei attraktive Damen (Elsa Pataky und Nathalie Emmanuel, deren Finger so schnell über den Computer fliegen) und zwei schwarze Komiker (Tyrese Gibson, dauernd beleidigt, weil er nicht als Supergangster gilt, und Chris Bridges, die Herren im steten Schlagabtausch).
„Mr. Nobody“, wie der Regierungsmann heißt, den ein leicht angegrauter Kurt Russell mit souveränem Humor verkörpert (ihm auf den Fersen in einer nicht sehr sinnvollen Rolle: Scott Eastwood, ja, natürlich, der Sohn…), holt sie alle zusammen, das Team Cipher / Toretto zu bekämpfen, und setzt ihnen noch Deckard Shaw (Jason Statham) in den Pelz, den alle nicht leiden können, bis er sich dann als sooo toll entpuppt (aber erst später, zwischendurch hält man ihn für tot… was ohnedies niemand glaubt).
Und um die Starparade komplett zu machen, gibt es ein paar Miniauftritte einer hinreißenden Dame, die sehr britisch Tee trinkt, völlig undurchsichtig ist und sich als Deckard Shaws Mama herausstellt: Helen Mirren in einem Cameo, wo man doch so gern mehr von ihr gesehen hätte… (Daß der einst böse Bruder von Deckard Shaw, Owen – der aus früheren Filmen bekannte Luke Evans – ganz am Ende auch noch dabei sein muß… wer wird denn da „dramaturgisch“ den Kopf schütteln?)
 
Hat man die Figuren, jede für sich stark genug, dann geht es nur darum, sie in die Action einzubauen, und das gelingt dem hier neuen Regisseur F. Gary Gray vorzüglich. Vor allem kann man nie sagen, wo die absolut unglaubliche Materialschlacht echt ist und wo sie aus dem Computer kommt. Das Kunststück ist jedenfalls bemerkenswert.
Nach dem Prolog in Havanna findet der erste Höhepunkt in New York statt, eine Jagd durch die Straßen, an der sich absolut sämtliche Autos der Stadt, von unsichtbaren Computerhänden geleitet, zu beteiligen scheinen, und wenn sie aus den oberen Stockwerken von Parkhäusern auf die Straße stürzen müssen… ein Chaos ohnegleichen, man glaubt dem Auge nicht, was es da sieht.
Warum Dominic Toretto bereit ist, sich gegen alle seine Freunde zu stellen, um für Cipher die Atomraketenpläne eines russischen Delegierten zu stehlen, der durch die Stadt fährt? Weil er (da blubbert die Sentimentalität nur so) entdeckt hat, daß er einen kleinen Sohn hat… daß dessen blonde Mutter im Lauf des Geschehens einfach abgeschossen wird, scheint ihn nicht im geringsten zu stören (im Gegenteil, das ist dramaturgisch nötig, da er schließlich eine neue Frau hat, der er das Kind am Ende bringt…). Alles dreht sich um seinen Sohn, mit dem ihn Cipher gnadenlos erpreßt – und ihn schließlich zum Finale mit bösen Absichten noch in eine russische Eiswüste schickt, wo sein Team natürlich auch wieder hinter ihm herdüst.
Was sich dort begibt, fällt gegen die New York-Szenen keinesfalls ab, das muß man einmal gesehen haben, wenn das Eis bricht, weil sich ein Unterseeboot in die Höhe hebt und der Begriff „Feuer und Eis“ angesichts eines Feuersturms ohnegleichen eine ungeahnte Dimension erhält…
All das dirigiert Cipher von ihrem Flugzeug aus, und wenn Deckard Shaw (samt Bruder) sie dort jagt, schlägt die Comedy-Stunde des Jason Statham: Der killt nämlich alles um ihn herum, während er Torettos Söhnchen in einem kleinen Buggy mit sich herumschleppt und sich zwischen den Schußwechseln immer wieder vergewissert, daß es dem Kleinen gut geht.
Zum allgemeinen Happyend wird der kleine Junge nach der verschwunden Paul Walker-Figur Brian genannt und es werden ein paar Kitsch-Tränen verdrückt und die Familie als höchstes Gut gepriesen (Trump-Amerika?) – und Cipher, ja, die ist verschwunden, die konnte sich mit einem Fallschirm gerade noch rechtzeitig aus der Flugzug-Gefahrenzone katapultieren…
 
Aber da Vin Diesel für Frühjahr 2019 und Frühjahr 2021 bereits Teil 9 und 10 angekündigt hat, besteht die gute Möglichkeit, daß man auf eine so glitzernde Bösewichtin nicht verzichtet und wieder auf sie zurückgreift… Daß „The Fast and the Furious“ ihren Kassenrapport-Status nicht halten werden, ist nicht zu befürchten: Man bekommt in zweieinviertel Kinostunden wirklich sehr viel für sein Geld geboten.

Renate Wagner