„Alas poor Shakespeare!“ oder Der Kopf im Klo

Heiner Müllers „Hamletmaschine“ am Schillertheater NRW Wuppertal

von Frank Becker

Gerhard Palder, Tessa Mittelstaedt - Foto © Klaus Lefbvre

„Alas poor Shakespeare!“ oder Der Kopf im Klo
 
Heiner Müllers „Hamletmaschine“
in Ausstattung und Regie von Wolf Münzner
am Schillertheater NRW Wuppertal
 
 
Wolf Münzners Bühnenbilder haben ihm einen guten Ruf eingebracht. Wieso läßt der Mann es nicht dabei, sondern versucht sich glück- und gnadenlos als Regisseur eines überholten Stücks mit gestrigen Bildern, altbackenen Ideen und muffigen dramatischen Mitteln? Mein Gott! Zwei Soldaten in Rosa Luxemburgs offenes Grab pissen zu lassen, einen nackten Hamlet mit Lippenstift zu bemalen: „Schuldig“ - das ist doch abgeschmackt. Beim Kopf im Klo gähnt man nur, und Bodenturnen mit Gummi-Vagina ist einfach nur eklig. Ophelia strippen zu lassen, war vielleicht 1969 revolutionär und kann heute nur als Kränkung der Schauspielerin aufgefaßt werden.
 
Münzner ist es gewöhnt, mit Material umzugehen, Text und Menschen liegen ihm offensichtlich weniger. So verschleißt er den erstklassigen This Maag als Hamlet, macht ihn zur Witzfigur, tut der profilierten Tessa Mittelstaedt mit Madame Butterfly-Maske alias Rosa L. und besagtem Ophelia-Strip Gewalt an und hindert auch sonst das gutwillige Ensemble mit dem ausgezeichneten Torsten Hermentin, den gewohnt guten Gerhard Palder, Hans Richter, Jörg Reimers und auch Herbert Ecker an darstellerischer Entfaltung.
Ein Flop, den auch das zur Streckung des mageren Textes mit sechs Zwischenmusiken pompös eingesetzte Sinfonieorchester unter Stefan Klieme nicht verhindern konnte. „Mein Drama, wenn es noch stattfände, fände in der Zeit des Aufstandes statt...“, sagt Hamlet in Müllers Original, und man kann ihm diesen historischen Konjunktiv lassen. „Mein Drama findet nicht mehr statt“, sagt er in Wuppertal, „Hinter mir wird die Dekoration aufgebaut. Von Leuten, die das Drama nicht interessiert... Mich interessiert es auch nicht mehr.“
„Wen schon?“, möchte man rufen und: „Mich doch auch nicht!“
 
Die Mindesthaltbarkeit dieses dramatischen Versuchs ist seit gut 20 Jahren reichlich überschritten und weder wird es durch Umetikettieren frischer, noch verschwindet der säuerliche Geruch des Angegammelten durch Umrühren. „Wai geschrien, das scheijne Geld!“, möchte man angesichts des pompösen Bühnenaufwandes mit hakender Technik klagen, denn es ist wirklich eine Schande, die knappen Mittel so nutzlos selbstverliebt zum Theaterfenster hinauszuwerfen. „Ich will die Leiche in den Abtritt stopfen, daß der Palast erstickt in königlicher Scheiße“, nimmt sich Hamlet Ende der 3. Szene vor. Münzner hat es in die Tat umgesetzt.
 
22.2.01