Ein Hauch von „Globe“

William Shakespeares „Der Sturm“ am Schillertheater NRW

von Frank Becker

Tessa Mittelstaedt, Jörg Reimers - Foto  ©  Klaus Lefebvre

Ein Hauch von „Globe“
 
William Shakespeares „Der Sturm“ am Schillertheater NRW
 
Das Kleine Haus des Wuppertaler Schauspiels erlebte mit Shakespeares für die Jugend aufbereiteter Komödie „Der Sturm“ einen Geschmack von dem, was wohl zu Zeiten des Dichters, also um 1610 die Aufführung eines solchen Stücks gewesen sein mag. Man kann das auch in den Tagebüchern von Samuel Pepys nachlesen.
Es war handfest, es war burlesk, es war im besten Sinne unterhaltend. Das Bühnenrund, auch mit den ansteigenden Rängen ein wenig vom alten „Globe Theatre“ vermittelnd, bot auf leerer Fläche den Darstellern alle Möglichkeiten, sich nach Herzenslust auszuspielen. Die ersten fünf Minuten Text gingen im Sturmgetöse unter, dann das Schiff des Königs von Neapel wie schon zuvor die erläuternden Worte der Dramaturgin Kathrin Bieligk im Aufmarsch der Zuschauer - auch so könnte es 1610 gewesen sein.
 
Eine Truppe von Komödianten war aufgeboten, die durchweg vom Besten war, das Beste gab und die Zeit wie im Fluge verstreichen ließ. Jörg Reimers als der zaubermächtige einst von seinem Thron vertriebene Prospero, Herzog Mailand beherrschte souverän die Szene. Ihm zur Seite als willfähriger Luftgeist Ariel Eike Gercken, ein Kobold durch und durch, aber auch voller blauer Schwermut. Wie ein strahlendes Licht über allem und von herzerwärmendem Liebreiz Tessa Mittelstaedt als Prosperos Tochter Miranda. Temperamentvoll und süß, ganz herrlich verliebt in den etwas tumb-stolzen Ferdinand, Prinz von Neapel (Christian Doll) bekam sie Szenenapplaus für ihre wundervolle Mimik und den kraftvollen Einsatz beim Holzhacken.
Nach dem Schiffsuntergang auf die Insel Prosperos gespült, sind die Reisenden Alonso, König von Neapel (Hans Matthias Fuchs), sein Bruder Sebastian (Torsten Hermentin), Antonio, unrechtmäßiger Herzog von Mailand und Prosperos Bruder (Gerhard Palder) sowie oben erwähnter Ferdinand den Ränken und der Rache Prosperos ausgeliefert, der allerdings am Ende Gnade vor Recht ergehen läßt. Fuchs' dekadente Arroganz ererbten Adels mißt sich dabei mit dem köstlich dämlichen Intrigantentum der erfolglosen Königsmörder Palder und Hermentin, die schurkische Klasse zeigen. Eine ganz besondere (Doppel-) Rolle nimmt Siegfried W. Maschek ein, der mal als wilder, von Prospero versklavter und gar nicht so ekeliger Caliban (man entwickelt Sympathie mit der Kreatur), dann als Gonzalo, ehrlicher alter Ratgeber Alonsos im raschen Wechsel brilliert. Erzkomödiant Hans Richter als versoffener Trinculo und Herbert Ecker als Möchtegernkönig mit Weinbuddel als Reichsapfel machen den komischen Reigen komplett.
 
Präsentiert wurde ein gut gelauntes, herrlich ironisches Kabinettstück in der Textfassung und Regie von Tobias Lenel, der samt Regie-Team befremdlicherweise dem Premierenapplaus fernblieb. Den Erfolg der Schauspieltruppe schmälerte das aber keinesfalls. Als Einstieg in Shakespeares Komödiendichtung scheint „Der Sturm“ in dieser Fassung durchaus für Kinder ab 10 Jahren geeignet und empfehlenswert.
 
Termine: 1.,13., 16., 17.12. jeweils 10.30 Uhr, 4., 8., 11.12. jeweils 19.30 Uhr, 19.12., 15.00 Uhr und 26.12., 11 und 16.00 Uhr
Foto: Klaus Lefebvre (Tessa Mittelstaedt und Jörg Reimers)
 
21.11.1999