Letztlich doch verschenkt

„Nichts zu verschenken“ von Fred Cavayé

von Renate Wagner

Nichts zu verschenken
(Radin! – Frankreich 2016)

Regie: Fred Cavayé
Mit: Dany Boon, Laurence Arné, Noémie Schmidt u.a.
 
Warum passiert es den Franzosen immer wieder, daß sie Komödien mit einer durchaus realen Ausgangssituation drehen, deren Handlung sie nach und nach verschenken – um dann eilends in ein Happyend zu flüchten, das die Sache mehr oder minder wertlos macht? „Nichts zu verschenken“ ist nur ein Beispiel unter vielen. Und es ist schade, denn schließlich hat Dany Boon hier wieder einmal eine Charakterrolle angepeilt, die am Ende im Zuckerguß erstickt.
Und warum passiert es gerade diesem ambitionierten Dany Boon immer wieder, daß er sein grundsympathisches Selbst verleugnen und ein interessantes Ekelpaket spielen will, man ihn aber die Sache nicht zu Ende bringen läßt? Denn zu Beginn ist er wirklich faszinierend: ein Getriebener, geduckt unter der permanenten gesellschaftlichen Forderung, Geld auszugeben, was ihm geradezu körperlich widerstrebt. Dieser Mann ist total verkrampft, in steter Angst, man könne an seine Geldbörse wollen…
Dazu gibt es eine amüsante einleitende Szene, die uns sagen will (die Theorie existiert), daß ein Fötus im Mutterleib schon alles mitbekommt, was „draußen“ geschieht: Wenn also Mama mit Papa ständig wegen des Geldes auszankt, daß er gewissenlos hinauswirft, dann merkt das schon der kleine François Gautier im Bauch. Und hat seinen Komplex, seine Manie, seine Paranoia lebenslang weg. Gönnt sich gerade 50 Euro pro Woche, 10 pro Tag, am Wochenende isst er die Reste. gespart wird an Strom, Gas, an allem, und es darf natürlich auch keine menschlichen Beziehungen geben, denn die könnten am Ende einmal ein Abendessen kosten…
 
Natürlich muß die Dramaturgie eines Drehbuchs nun auf Heilung dieser „Krankheit“ (denn genau das ist es) hinauslaufen. Schade nur, daß es in der Regie von Fred Cavayé letztendlich so plump geschieht – und dem Thema eigentlich ausweicht.
Francois, der in einem Orchester offenbar höchst brillant Violine spielt (und schamlos aus den Eltern eines Geigenschülers das Optimum herauspressen will – es gibt wirklich peinlich-schmerzliche Szenen), bekommt in der Cellistin Valerie (Laurence Arné, bezaubernd und sympathisch) wirklich eine Traumfrau vor die Nase gesetzt. Aber kein Gefühl ist stärker als die Besessenheit, die ihn in den Krallen hält – was er sich einfallen läßt, um die unverschämte Rechnung im Luxuslokal nicht zahlen zu müssen, das ist blanke Komödien-Dramaturgie, aber das sieht man noch ein.
Aber dann steht – Neuigkeit! Wie oft war das schon da? – angeblich seine Tochter vor der Tür. Das kommt davon… daß er nicht nur abgelaufene Lebensmittel ißt, sondern einst auch ein lange abgelaufenes Kondom benutzt hat. Nun ist Laura da (Noémie Schmidt, das klassische bebrillte, ach so liebenswerte Hascherl), die Mama bestätigt, daß sie wirklich seine Tochter ist, und er soll sie gefälligst eine Zeit lang behalten. „Papa“ sagt ja – für 140 Euro Miete. Wieder eine Szene, die weh tut.
 
Von da an ist aber die Sturzfahrt in den Kitsch nicht mehr aufzuhalten, es wird immer toller und immer schlimmer: Die große Lüge steht im Raum (von der Tochter ehrlichen Herzens verbreitet, die schließlich einen Supervater haben will), daß er nur so geizig ist, um alles Geld an mexikanische Waisenkinder zu verteilen (was die verärgerten Nachbarn dann geradezu rührt); es kommt die scheinbar große Outing-Szene, die dann doch anders umschlägt; die Tochter muß gerettet werden, und das kann nur er… kurz, das Ganze kippt in so viel Kitsch ab und um, daß die Ausgangsposition, die Studie eines krankhaft Besessenen, letztlich verschenkt ist.
Ist der Geizige am Ende geheilt? So genau weiß man das nicht. Es ging dem Film ja nicht um das echte Problem, sondern nur darum, mit der üblichen Weichspülung wieder einmal eine der verlogenen Komödien loszulassen, die seltsamerweise so erfolgreich sind… und von denen uns Frankreich besonders viele beschert.
 
 
Renate Wagner