Beckfelds Briefe

An Ephraim Kishon

von Hermann Beckfeld

Hermann Beckfeld - Foto © Dieter Menne
Er konnte über sich lachen, und wir lachen über die skurrilen Typen, die er uns in seinen Büchern schenkte: Freund Joselle, Kasimir Blaumilch und die „beste Ehefrau von allen“. Ephraim Kishon erzahlte vom Alltagsgeschehen in Israel, sympathisch, selbstkritisch, hintergründig. Und immer mit seinem ganzfeinen Humor.
 
Lieber Ephraim Kishon,
 
sicherlich sehen Sie es auch so: Gute Bücher sind Schätze. Sie machen mich reich, wenn ich sie lese; die Erkenntnisse, die Erfahrungen und Weisheiten verzinsen sich ein Leben lang.
Oben links im Regal, da stehen meine Lieblingsbücher von Ihnen: „Der Blaumilchkanal“ und „Kishons beste Familiengeschichten“. Die beiden Bände sind mit mir von Haus zu Haus gezogen; nie käme ich auf den Gedanken, sie auf einem Trödelmarkt zu entwerten. Am vergangenen dauerverregneten Sonntag habe ich mich nach langer Zeit wieder hineingelesen in den Roman über Blaumilch, den närrischen Mann am Presslufthammer, der Tel Avivs Bürokraten durchrüttelt; ich lachte herzlich über „die beste Ehefrau von allen“ und entdeckte im Klappentext, daß Sie morgen 91 Jahre alt werden würden. So schicke ich Ihnen herzliche Geburtstagswünsche dorthin, wo es keine Mauer und keinen Stacheldraht, keine Raketenstationen und überfüllte Flüchtlingsschiffe gibt. 2005 sind Sie an einem Herzanfall gestorben, also so, wie Sie es sich gewünscht hatten: schnell, überraschend, ohne großes Leiden.
Was für ein Leben. Als junger Mann können Sie gleich zweimal Ihren Peinigern entkommen. Nach Kriegsende den Russen auf einem Gefangenentransport, zuvor den Nazi-Verbrechern auf dem Todesmarsch in ein slowenisches Arbeitslager. Der Großteil Ihrer Familie stirbt in den Gaskammern von Auschwitz, doch Ihnen gelingt über Österreich und Italien die Flucht nach Israel; an Bord der „Galiläa“, ausgelegt für 300 Passagiere, drängen sich 3000 Menschen. Der Beamte im Hafen nimmt Ihnen das Letzte, was Sie besitzen, Ihren Künstlernamen. Er macht aus Ferenc Kishunt den Einwanderer Ephraim Kishon, der weltberühmt werden sollte.
Anfangs arbeiten Sie im Kibbuz, als Elektriker und Pferdeknecht, am liebsten aber als Latrinenputzer, weil dieser Job Ihnen am meisten Zeit läßt, um auf dem Klosettsitz hockend hebräisch zu lernen und Texte zu schreiben. Für Zeitungen, für Filme, bald auch für das eigene Theater „Die grüne Zwiebel“, vor allem für Bücher. Davon werden 43 Millionen in 37 Sprachen verkauft, die meisten in Deutschland. „Ich spüre Genugtuung darüber, daß ich zum Lieblingsautor der Nachkommen meiner Henker wurde, und das ist die eigentliche Ironie der Geschichte“, sagten Sie - und noch viel, das uns nachdenklich machte, auch über Ihre Landsleute: „Die Juden sind ein lästiges Volk. Wenn Sie allerdings nicht so lästig sein würden, dann wären Sie vielleicht kein Volk mehr.“
Natürlich haben Sie in Erzählungen Ihren Weg aufgearbeitet. Ich jedoch mochte die Bücher mehr wegen des feinen Humors; herrlich, mit wie viel Ironie und Liebe Sie das Alltagsleben in Israel schildern. Sie zeichnen ein sympathisches Bild der Israelis mit all ihren Stärken und Schwächen, Eigenarten und Verrücktheiten. Israelis, die wir bis dato nur als kompromißlose Kämpfer gekannt hatten, die sich gegen die Übermacht der arabischen Welt zur Wehr setzen mußten.
Als Journalist guckte ich bei Ihnen ab, wie man den Geschichten ein Gesicht und eine Seele geben kann: Sie schenkten uns den umtriebigen Freund Joselle, den nervigen Nachbarn Seelig, Theaterkritiker Kunstetter, Neueinwanderer Sallah Shabati, Kasimir Blaumilch und „die beste Ehefrau von allen“ sowieso. Komische Typen, köstliche Anekdoten.
 
Lieber Ephraim Kishon,
Sie waren es, der mir Mut machte, immer und immer das Abenteuer zu wagen, Reportagen in der Ich-Form zu schreiben. Von Ihnen lernte ich, daß der Ich-Schreiber sich zurücknehmen muß, sich selbst nicht allzu ernst nehmen darf; er muß sogar über sich lachen können.

Ihr
Hermann Beckfeld

(22.08.2015)

 

 

Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlags Henselowsky Boschmann.
„Beckfelds Briefe“ erscheinen jeden Samstag im Wochenendmagazin der Ruhr Nachrichten.

Redaktion: Frank Becker