Akim, Sigurd, Peterle & Co.

„Enzyklopädie deutscher Piccolo-Bilderhefte“ (1) – hrsg. von Hermann Mencer

von Frank Becker

    © ComicSelection/C. Kuhlewind Verlag
Akim, Sigurd, Peterle & Co.
 
Die Enzyklopädie deutscher Piccolo-Bilderhefte hat sie alle.
 
Wenn Männer mit Eisenbahnen spielen, werden sie oft nachsichtig belächelt, denn „Im echten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen“ (Friedrich Nietzsche). Das aber wollen die „Seriösen“ den in einem Winkel ihres Herzens jung Gebliebenen nicht einräumen. Ob da auch ein bißchen Neid eine Rolle spielt? Männer, die sich auch als Jäger und Sammler – ist das nicht unsere ureigene Bestimmung? - ernsthaft mit Comic-Heften beschäftigen, sie mit glänzenden Augen betrachten, gar zu allem Überfluß mit Vergnügen lesen, stoßen auf ähnliche Vorbehalte, das weiß jeder, der das selber tut, aus eigener Erfahrung. Ich weiß das, denn ich bin so einer. Ein wieder anderer, den Uneingeweihte vermutlich für völlig wahnsinnig halten müssen, ist Hermann Mencer, über dessen soeben aufgelegte „Enzyklopädie der deuschen Micky Maus-Hefte“ wir Ihnen an dieser Stelle jüngst anhand von Band I voller Begeisterung berichtet haben.
 
Ein ebenso anspruchsvolles Projekt, das Hermann Mencer bereits davor in der ComicSelection beim C. Kuhlewind Verlag ins Werk gesetzt hatte und das in all seiner Gründlichkeit und Ausführlichkeit selbst den Kenner in Erstaunen versetzt, ist die „Enzyklopädie deutscher Piccolo-Bilderhefte“. In bisher fünf Bänden widmet sie sich ultimativ einer Comic-Kultur, die in den 1950er und 1960er Jahren den Ruhm des Walter Lehning Verlages und den seines Haupt-Zeichners Hansrudi Wäscher begründete. Wer in dieser Zeit ein Junge war, kennt die schmalen Bilderstreifen-Heftchen von 17x7,5 cm im Querformat, die in ihrer Form dem Namensgeber „Comic-Strip“ entsprachen und als „Piccolos“ die Begehrlichkeiten der Buben weckten. Auf 34 schwarz-weißen Seiten mit farbigem Umschlag, die anfangs 20, später 30 Pfennige kosteten, erlebten nämlich die Helden einer Jugend vor Internet, Smartphone und Gangsta-Rap herrliche Abenteuer im Wilden Westen, im Dschungel, im Weltall, auf den Weltmeeren, im Mittelalter, als Rennfahrer oder im und jenseits des Boxrings. Das war natürlich in den Augen vieler Erwachsener „Schund“ und wurde von Eltern und Lehrern reichlich konfisziert. Ein herber Schlag, denn die 20 Pfennige für die natürlich heimlich gekauften Bildstreifen hatte man sich mühsam zusammengespart. Es wurde auch untereinander getauscht, so konnte man mehr der begehrten Geschichten lesen.
 
Wie alles anfing
 
Nach und neben anderen publizistischen Versuchen in der jungen Bundesrepublik kam der umtriebige Verleger Walter Lehning aus Hannover auf die schlechterdings geniale Idee der vom Tomasino Verlag aus Italien übernommenen, oben beschriebenen „Piccolos“. Ein Micky Maus-Heft kostete damals immerhin kaum erschwingliche 75 Pfennige, für knapp ein Viertel des Preises war ein Piccolo-Abenteuer zu bekommen. Lehning setzte also – und sehr erfolgreich – auf das bemessene Taschengeld der Knaben. In jeder der anfangs aufgelegten drei Serien erschien ab Juni 1953 wöchentlich ein Heft: „Akim – der Sohn des Dschungels“ (Zeichner: Pedrazza), „El Bravo – der Schrecken der Banditen“ (Zeichner: Bignotti) und „Carnera – die Abenteuer eines Boxweltmeisters“ (Zeichner: Paludetti, Muzzi u.a.). Schon bald, im September 1953 folgte die 4. Serie „Fulgor – der Weltraumflieger“ (Zeichner: Pedrazza). Hermann Mencer zeigt jeden der farbigen Umschläge in Originalgröße mit kleinen, informativen Kommentaren als Marginalie.


Bereits einen Monat darauf legte Lehning nach – und brachte die von da an erfolgreichste und beliebteste Piccolo-Bildserie an den Start: „Sigurd – der ritterliche Held“. Zeichner war Hansrudi Wäscher, der damit eine einzigartige Erfolgs-Karriere startete. Mit seinen Freunden Bodo und Cassim bestand Sigurd in den folgenden Jahren zahllose an die Nibelungen und Dietrich von Bern angelehnte gefährliche Abenteuer.
Als 6., 7. und 8. Serie zogen im November 1953 in rascher Folge die über lange Zeit fast ebenso erfolgreichen „Peterle“ (Zeichner: Pedrazza), „Der rote Adler“ (Zeichner: Benedetto Resio) und „Harry, der Grenzreiter“ (Zeichner: Franco Paludetti und Ferdinando Tacconi) nach. Ab Mai 1954 ersetzte als 9. Serie „Jezab der Seefahrer“ (Zeichner: Chiomenti) die Abenteuer des Boxers „Carnera“. Als „Fulgor“ eingestellt wurde, nahm der 10. Serienheld „Raka – der Held des Jahres 2000“  (Zeichner: Enzo Chiomenti) dessen Platz ein. Chiomenti zeichnete auch die 11. Serie „Blauer Pfeil“, die aufgrund von Zensurmaßnahmen nach nur 24 Heften eingestellt wurde. Das gleiche Schicksal erlitt im Dezember 1954 „Akim“, als dessen Nachfolger „Herr des Dschungels“ auf den Markt gebracht wurde und den in den ersten Folgen ebenfalls Hansrudi Wäscher zeichnete.Später wurden wieder die Stips von Pedrazza übernommen.
Hermann Mencer kümmert sich glücklicherweise auch um die sogenannten Großbände der Piccolo-Serien, deren äußeres Erscheinungsbild und auch die Inhalte sehr bald ebenfalls von Wäscher in seinem unverwechselbaren Stil und Strich gestaltet wurden.
Hansrudi Wäscher werden Sie an dieser Stelle wiedertreffen, wenn wir über seine späteren Erfolgsserien „Tibor“ und „Nick“ berichten.
 
„Enzyklopädie deutscher Piccolo-Bilderhefte“ – hrsg. von Hermann Mencer
Band 1 (1953 & 1954) – Die Anfangsjahre
© ComicSelection/C. Kuhlewind Verlag, 320 farbige Seiten, 814 Abbildungen, gebunden, 24,5 x 34 cm, Inhaltsverzeichnisse – ISBN 978-3-9817305-5-5
69,- €, dazu kommen 6,99 € Versandkosten.

© Alle Urheberrechte an den Serien Akim, Fulgor, Peterle und Blitz bei Frau Dr. Patrizia Pedrazza - Alle Urheberrechte an der Serie Sigurd bei Hansrudi Wäscher/becker-illustrators 
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