Aus flotter Revue kann kein historisches Drama werden

Theater in Cronenberg zeigt Aufstieg und Fall der Comedian Harmonists

von Daniel Diekhans

Foto © Martin Mazur

Aus flotter Revue kann kein historisches Drama werden
 
Theater in Cronenberg zeigt Aufstieg und Fall der Comedian Harmonists
 
Inszenierung: Ralf Budde - Musikalische Leitung: Stefan Hüfner - Bühne und Kostüme: Kerstin Faber - Maske: Michaela Döpper
Besetzung: Christopher Geiß (Ari Leschnikoff, 1. Tenor) - Florian Siegmund (Erich Collin, 2. Tenor) - Leon Gleser (Roman Cycowski, 3. Tenor) - Benedict Schäffer (Harry Frommermann, Bariton) - Tobias Unverzagt (Robert Biberti, Baß) - Dennis Gottschalk (Erwin Bootz, Pianist ) - Luisa Herget (Marion/ Martha Kettelbrink) - David Parke (Eric Charell/ Franz/ Schneider) - Alexander Klein (Ansager/ Heinz/ Mandelbaum/ Paul)
 
Licht und Schatten: Die Cronenberger Comedian Harmonists erfreuen vor allem mit Musik
 
Wer waren die Comedian Harmonists? Die erste deutsche Boy Group! So lautet die Antwort, die das Theater in Cronenberg mit seiner Comedian Harmonists-Revue gibt. Piekfein sehen sie aus, die sechs Schauspieler auf der Bühne des TiC-Ateliers. Das Bühnenbild gibt den Blick frei in ein voll besetztes Opernhaus, das verstärkt die festliche Atmosphäre. Die Sechs tragen Frack, Fliege und viel Gel im Haar. Aber es ist ihr jungenhafter Charme, der Mut zur Lässigkeit, der das Publikum mitreißt. „Mein kleiner grüner Kaktus“, „Wochenend und Sonnenschein“, „Veronika, der Lenz ist da“ – wenn die Cronenberger Harmonists die Hits der Zwanziger und Dreißiger Jahre in zuckersüßen Harmonien singen, mischen sie sich gern unter ihre Zuhörer. Die einen flirten mit den Damen, die anderen legen einen beschwingten Tanz hin.


Foto © Martin Mazur
 
Charmant sind auch die Spielszenen, die die Geschichte der wohl erfolgreichsten Vokalgruppe aller Zeiten beleuchten. Aus Zitaten der Original-Harmonists hat Regisseur Ralf Budde Dialoge geformt, die Witz und Timing haben. Was im wirklichen Leben Monate brauchte, ist im Stück in wenigen Minuten geschafft: Auf Initiative des Musik- Laien Harry Frommermann finden sich da die richtigen Sänger und ein Pianist, und aus rasch skizzierten Individuen wird ein homogenes Musikensemble.
Fast überdeutlich verkörpern Benedict Schäffer und Tobias Unverzagt die Gegensätze der Multikulti-Truppe, in der damals Deutsche, ein Bulgare und ein Pole zusammen Musik machten. Benedict Schäffer gefällt als liebenswert zurückhaltender Frommermann. Seiner Baritonstimme hätte man allerdings etwas mehr Kraft und Volumen gewünscht. Unverzagt leiht dem zweiten Bandleader Robert Biberti einen durchdringenden Baß. Sein Auftreten ist nicht weniger selbstbewußt. Wenn der von David Parke gespielte Manager Musik mit mehr „Pep“ verlangt, antwortet Unverzagt prompt: „Pep ist quasi mein zweiter Vorname!“
 
Mit dem „Pep“ in den Stimmen, der Würze des amerikanischen Jazz, haben die Comedian Harmonists ihr Erfolgsrezept gefunden. Kerstin Fabers Bühnenbild aus hohen Kofferstapeln illustriert das Tourneeleben, das den plötzlich berühmten Sängern keine Ruhe mehr gönnt. Der Aufstieg scheint unaufhaltsam – bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland.
Wie soll man das staatlich verordnete Ende der Comedian Harmonists darstellen? Regisseur Budde gibt sich wirklich Mühe. Schon früh fügt er den SA-Mann Franz (ein kühl-einschüchternder David Parke) in die Handlung ein und baut ihn zum Gegenspieler des Sextetts auf. Er läßt Hitler-Reden und Nazi-Lieder einspielen. Doch damit bringt er das gesamte Stück aus der Balance. Was als flotte Revue überzeugt, überzeugt noch lange nicht als historisches Drama. Sieht man von Parke ab, wirken die „reinen“ Schauspieler Luisa Herget und Alexander Klein da reichlich blaß.


Foto © Martin Mazur

 „Wir sind die besten Freunde – und wir werden es immer bleiben“, versichern sich die Sänger auf der Bühne. Fraglich ist, ob die echten Comedian Harmonists das jemals so gesagt hätten. Wenn Schäffer und seine Kollegen gegen Ende das Lied „Ein Freund, ein guter Freund“ anstimmen, ist das geradezu zynisch. Denn der lebenslange Bruch zwischen den jüdischen und nicht-jüdischen Bandmitgliedern ist historische Tatsache
 
Wer die Comedian Harmonists im TiC genießen will, sollte sich also auf die Musik konzentrieren. Neben Unverzagt haben auch seine Kollegen Christopher Geiß, Florian Siegmund und Leon Gleser starke Stimmen. Stefan Hüfner hat die alten Aufnahmen abgehört und daraus werkgetreue Arrangements gemacht. Nur bei „Perpetuum Telephonuum“ war er – zum Glück – so frei, einen eigenen Text auf die Originalmelodie zu legen. Hier dürfen sich die Sänger beim Tanzen in schier endlosen Telefonkabeln verheddern.
 
Termine:
Die „Comedian Harmonists“ zeigt das TiC noch drei Mal in dieser Spielzeit: heute, Sonntag, 19. März, um 15.30 Uhr sowie am 28. und 29. April jeweils um 20 Uhr. Spielstätte ist das TiC-Atelier, Unterkirchen 23. Karten für 18 Euro gibt’s unter 0202-472211. Schüler und Studenten bis 25 Jahre zahlen nur 13 Euro.
 
Weitere Informationen unter www.tic-theater.de