„Ora et labora“

„Gregorianika“ in der Remscheider Klosterkirche

von Elisabeth Erbe

Foto © Gregorianika

Ich bete an die Macht der Liebe

Mönche und mystische Klänge

Unter Einflüssen der jüdischen Ritualmusik entstanden in den ersten christlichen Jahrhunderten einfache Melodien und Gesänge, die Psalmverse aus der Bibel vertonten. Ende des 4. Jahrhunderts begannen die Gemeinden, mit kurzen Gesängen auf Solisten zu antworten. Durch Entstehung der Mönchsorden formierten sich Chöre, die gegeneinander sangen. Der gregorianische Gesang (cantus gregorianus) erklang in lateinischer Sprache und erzählte in liturgischer Form vom Wort Gottes. Im frühen Mittalter vollzog sich eine musikalische Entwicklung: die Gregorianika. Der Chor erweiterte seine mehrstimmigen Stücke und fasziniert bis heute mit mystischen Klängen.
 
Jedes Jahr gastiert der ukrainische Chor „Gregorianika“ in der Remscheider Klosterkirche und zieht magisch zahlreiche Besucher aller Generationen an. Das neue Programm „Ora et labora“ versprach qualitativ hochwertige Musik im alten Stil. Neben den typischen einstimmigen Chorälen sang der Chor bekannte Melodien aus dem 20. Jahrhundert und schuf damit eine Brücke zwischen dem Mittelalter und der heutigen Moderne. Es war eine Reise zu den Wurzeln des Glaubens. Dirigent und musikalischer Leiter Oleksiy Semenchuk moderierte das Konzert und überzeugte mit seiner klangvollen Baßstimme. Zum Auftakt erklang „Kyrie Eleison“, andächtig, meditativ und geheimnisvoll. In der Melodie „Auferstehung“ verflochten sich die Stimmen ineinander und verschmolzen im Mönchsgebet. Die Klosterkirche, in der einst Minoritenmöche lebten und arbeiteten, bot mit ihrem alten Gemäuer den perfekten Rahmen für die singenden Mönche und erlebte eine Renaissance der alten Zeit. Das Lied „Ameno“, das Era in einer Fantasie-Sprache sang, erklang weniger kraftvoll. Die Mönche präsentierten das New-Age-Lied aus dem Jahr 1997 eher zart und lieblich, fast zerbrechlich. Neben mittelalterlichen Gesängen und Gebeten ließen sie ukrainische Volkslieder wie „Möge mein Mund voll deines Lobes sein“.  
 
Nach einer 15minütigen Pause zeigten die Ukrainer, daß noch mehr in ihnen steckt. Neben „Ave verum corpus“ zeigten die Sänger, daß auch deutsche Lieder wie „Ich bete an die Macht der Liebe“ spirituell klingen können. Gerade die einfache Art der Mehrstimmigkeit mit dem Fokus auf einzelne Tonlagen überzeugte vollends. Tiefer Baß, vibrierende Stimmbänder und warm-weiche Soli wirkten wie ein Seelenflug durch alte Zeiten. Auch der biblische Paulus forderte einst die Gemeinden in Ephesos und Kolossai auf, Hymnen und Psalmen zu singen, und zwar so, wie es ihnen der Heilige Geist eingibt. Daher ließen es sich hier und heute die selbsternannten Mönche nicht nehmen, das letzte Lied „Gelobt sei der Name Gott“ zu singen. Der Beifall wollte nicht aufhören, einige standen auf und forderten eine Zugabe ein. Mit dem Wiegenlied von Johannes Brahms „Guten Abend, gute Nacht“ vertriebt das Sextett alle Mystik und Düsterheit und verabschiedete sich mit tiefer Verbeugung.
 
Weitere Informationen: http://gregorianika-web.de