Die Magie der Zahlen - ein Nachtrag zur Zugabe

Zur 75 - ein Aperçu aus der Zahlensymbolik

von Heinz Rölleke

Prof. Dr. Heinz Rölleke - Foto © Frank Becker
Anläßlich der Jubelfeiern zum 75. Geburtstag der Stadt Wuppertal im Jahr 2004 war Prof. Dr. Heinz Rölleke von seiner Alma Mater, der Bergischen Universität gebeten worden, etwas zu dieser Zahl zu sagen. Wir haben den Text für Sie.


Zur 75 –
ein Aperçu aus der Zahlensymbolik
(zum 75. Jubiläum der Stadt Wuppertal im Jahr 2004)
 
Von Heinz Rölleke
 
Man darf und soll nach/mit 75 Jahren rückblicken und feiern. Dazu rät der Erzähler in Wilhelm Hauffs schöner Novelle „Phantasien im Bremer Ratskeller": „Meines Erachtens ist es keine üble Gewohnheit, hie und da Einschnitte zu machen in den Baum des Jahres und sinnend dabei zu verweilen. Es ist gut, wenn die Seele einmal ein paar Stunden einkehrt im eigenen Gasthof ihrer Brust, sich bewirtet an der langen Table d'hôte der Erinnerung. Mein Großvater nannte solche Tage seine Schalttage. Nicht daß er etwa ein Bankett veranstaltete; nein, er kehrte ein bei sich, und seine Seele schmauste in der Kammer, die sie seit fünfundsiebzig Jahren kannte." Die Stadt Wuppertal feiert einen solchen Schalttag, und die Zahl „75“ gibt dazu auch guten Anlaß. Das kann allein schon ihre biblische Bedeutung zeigen.
 
Ob allerdings der alttestamentliche Segensspruch seinerzeit auch für den Aufbruch zum Zusammenschluß der Städte Elberfeld und Barmen galt, ist nicht überliefert. Über Abram aber wurde er gesprochen, als er genau 75 Jahre alt war - vielleicht ist dies ein Hinweis, daß der große Segen erst jetzt über das nun 75jährige Wuppertal ergeht: „lch will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden. Da zog Abram aus, wie der Herr zu ihm gesagt hatte. Abram aber war fünfundsiebzig Jahre alt“ (1. Mose 12,3-4). Den Hinweis auf die „Geschlechter auf Erden“ kann man seit längerem ohne weiteres prophetisch auf die durchaus multikulturelle Bergische Universität beziehen. Der 75jährige Patriarch machte sich jedenfalls auf den Weg der Verheißung, der ihn noch genau 100 Jahre durchs Leben führte: „Das ist Abrams Alter, das er gelebt hat: 175 Jahre. Und er nahm ab und starb in einem ruhigen Alter, da er alt und lebenssatt war, und ward zu seinen Volk versammelt“ (1. Mose 25,7-8). Soweit ist es mit Wuppertal nicht. Und man sieht ja, daß 75 Jahre keinen Abschluß, sondern eher einen Zwischenstop symbolisieren; vor allem aber können sie geradezu klassisch für einen gesegneten Neuanfang stehen: Man kann es Wuppertal nur wünschen.
Daß dieser Neuanfang unter dem Zeichen einer gewissen (inzwischen erreichten) Vollkommenheit steht, macht im Neuen Testament der Erzmartyrer Stephanus in der Ansprache vor seinem Tod deutlich, wenn er vom berühmten Joseph in Ägypten sagt, „Joseph aber sandte aus und ließ holen seinen Vater Jakob und seine ganze Freundschaft, fünfundsiebzig Seelen“ (Apostelgeschichte 7,14). Gott verhieß damals dem Jakob, er wolle die fünfundsiebzig Seelen „zum großen Volk machen“ (1. Mose 46,3). Die „75" ist also nicht nur eine Art vollkommene Zahl hinsichtlich von Zeitabläufen, sondern auch hinsichtlich von Mengenangaben. Das sind gute Auspizien für die Stadt Wuppertal im Jahr 2004, wenn sie auf Qualität und Kraft dieser Zahl schaut und darauf vertraut.
Die Kirchenväter sehen im Alter des Abram bei seiner Berufung einen göttlichen Hinweis auf die Dignität der Zahlen 70 (Symbol der Ratio) und 5 (Symbol der Sinne des Menschen) - beide addiert ergeben eine vollkommene Harmonie von Geist und Sinn. Der mittelalterliche Theologe Beda Venerabilis weiß es noch genauer: „Weil in der Siebzig die Zahlen 7 und 10 enthalten sind, bedeutet sie die perfectio bonae actionis, die in der Erfüllung der zehn Gebote durch die Gnade der sieben Gaben des Heiligen Geistes besteht. Der Summand 5 ist wegen der fünf Sinne Zeichen des menschlichen Tuns."
Auch die Quersumme unsres Jubiläumsjahrs kann sich bekanntlich in vieler Hinsicht sehen lassen, vor allem ist die 12 eine noch vollkommenere Zahl als die 75, da sich in ihr die göttliche 3 und die irdische 4 verbinden. Wuppertal ist alles in allem in einem guten, ja einem hervorragenden und - biblisch gesprochen -in einem vollkommenen Alter. Da mag man zufrieden zurück- und hoffnungsvoll nach vorn schauen.
 
AD MULTOS ANNOSl
 
 
© 2004 Heinz Rölleke

Redaktion 2017: Frank Becker