Wunderbares Kino

„Wilde Maus“ von Josef Hader

von Renate Wagner

Wilde Maus
(Österreich 2017)

Drehbuch und Regie: Josef Hader
Mit: Josef Hader, Pia Hierzegger, Georg Friedrich, Jörg Hartmann, Denis Moschitto, Nora von Waldstätten, Crina Semciuc, Hubsi Kramar, Maria Hofstätter u.a.
 
Josef Hader hat sich Zeit gelassen. Im Spätherbst 2015 schon hat er seinen Film „Wilde Maus“ gedreht, jetzt erst kommt er in die Kinos. Wohl auch, damit er ihn zu allererst bei der Berlinale präsentieren konnte, wo er viel Lächeln, Lachen und liebevolle Rezensionen geerntet hat. Für eine sehr österreichische Mischung aus einer echten Vorgabe und der Schmähtandelei, die man daraus macht.
Einst hieß es „Die Maus, die brüllte“. Josef Hader zeigt nun, wie tragikomisch, wie lächerlich und hinreißend zugleich es ausfällt, wenn eine Maus wild wird. Und sind wir nicht alle, alle dumme, kleine, brave Mäuschen, in Schach gehalten von ein paar skrupellosen, räuberischen Katzen? Dabei ist Georg, in seinen Fünfzigern, am Anfang voll im Saft seines Selbstbewußtseins, wenn er einer jungen Kollegin (wieder einmal hintergründig-katzenhaft: Nora von Waldstätten) wohlwollend erzählen will, wie es so langgeht im Journalismus. Daß er Musikkritiker einer großen Zeitung ist – ja, das ist schon ein Prestigejob, das bringt etwas in der Achtung von Leuten, die selbst in Oper und Konzert gehen und seine Formulierungen nachbeten können (er wird es später merken, wenn er bei dem Polizisten des Hubsi Kramar statt strenger Worte nur Wohlwollen für eine minore Straftat erntet). Kurz, auch wenn Georg daheim Stress hat, weil seine Frau Johanna (Pia Hierzegger, so richtig zickig und sauertöpfisch) zwecks Nachwuchszeugung Sex nach Kalender einfordert, wäre eigentlich alles in Butter.
Und es geht so schnell schief! Der Chef (Jörg Hartmann ist akkurat der richtige, glatt-fiese Typ) macht es klar: Leute wie Georg sind einfach zu teuer und irgendwie gestrig. Also, das war’s. Entlassen, man faßt es nicht. Auf Qualität kommt’s nicht an. Er merkt es, als die junge Kollegin plötzlich zu seinen Terminen gehen darf und so was von keine Ahnung von Musik hat. Und selbst die noch so freundliche Redaktionssekretärin (Maria Hofstätter) nimmt ihm seine Privilegien ab. Es ist alles kaputt und zu Ende. Und eine zeitlang kann er – man kennt das Phänomen – das nicht einmal zugeben. Der Gattin macht er vor, alles sei wie immer.  
 
Und was nun? Hier würde nun selbst ein Mann wie Georg, dem der Boden unter den Füßen weggezogen ist, im echten Leben vermutlich im Wirtshaus versumpern. Wenn wir es allerdings mit einem Film von Josef Hader zu tun haben, dann greift der Kabarettist ein und denkt sich aus, was einen zwar realitätsfernen, aber liebenswerten Film ergibt. Ein Rachefeldzug gegen den Chef-Bösewicht, der – die Maus, die brüllte – so lächerlich und traurig ausfällt, wie man es sich nur wünschen kann. Eine Geschichte, die am Ende nicht einmal ein richtiges Ende hat. Weil wir uns längst mit Hader eine Handbreit über dem Boden befinden und uns in seine Traumwelt mittragen lassen.
Die führt, wir sind in Wien, erst einmal in den Prater. Dort muß man eine Type wie Erich finden (Georg Friedrich ist der Reibeisen-Schauspieler, ohne den es im österreichischen Film nicht geht), der da mit der Rumänin Nicoletta (Crina Semciuc) herumzieht (Georg radebrecht auf Italienisch mit ihr) und von einer Achterbahn träumt, die er wieder beleben will. Ein elender Schuppen, der allerdings den Fachausdruck „Wilde Maus“ trägt. Georg, der ohnedies nichts anderes zu tun hat, hilft ihm dabei, das Werkel zum Rennen zu bringen. Dafür borgt er sich Erichs altes Auto. Denn etwas will er doch – nach ein paar kleinen Sticheleien richtig, Rache nehmen.
Da reicht es nicht mehr, einiges rund um die Villa des Ex-Chefs zu demolieren. Da fährt er diesem in mörderischer Absicht in dessen Ferienhaus (irgendwo im schneeverwehten Niederösterreich) nach. Der junge Mann, mit dem er ihn da überrascht (Denis Moschitto), den kennt der Kinozuseher übrigens schon. Der hat als Patient bei der therapierenden Gattin von Georg schon eine Geschichte – nachdem er ihr erst ins Gesicht gesagt hat, ihre Analysen seien nichts wert, hat er sie mit Blumen umworben und fast eine Romanze angefangen. Vermutlich, um zu vergessen, daß er eigentlich der schwule Geliebte von Georgs Chef ist.

 
Der Showdown mit Pistole im Ferienhaus ist unübertrefflich. Der fast nackte, von einem lächerlichen Kampf lädierte Hader, der sich suizidal in den Schnee hockt… wunderbar. (Da sieht man auch, wie hart der Beruf eines Schauspielers ist, der von einem Drehbuchautor und einem Regisseur so etwas auferlegt bekommt. Nur daß er selbst der Drehbuchautor und der Regisseur ist…)
Nachher dürfen alle aufatmen und dem Ende zueilen, das keines ist, aber es ist ja auch keine wahre Geschichte. Aber wunderbares Kino. Und was Hader wie nebenbei von den Krisen des Älterwerdens erzählt… das geht über die Lacher hinaus.
 
 
Renate Wagner