Mit allen Wassern gewaschen

„Kundschafter des Friedens“ von Robert Thalheim

von Renate Wagner

Kundschafter des Friedens
(Deutschland 2017)

Regie: Robert Thalheim
Mit: Henry Hübchen, Michael Gwisdek, Thomas Thieme, Jürgen Prochnow, Winfried Glatzeder, Antje Traue u.a.
 
Daß die DDR für uns in der Retrospektive komische Seiten hat, ist erleichternd, denn die echte Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Regimes hat (nehmen wir das Meisterwerk „Das Leben der anderen“ einmal aus) ja noch nicht wirklich stattgefunden. Man möchte schließlich in Frieden mit den „Ossis“ leben, und es wäre ja am gescheitesten, wenn sie sich selbst nicht mehr als solche fühlten…
Also lachen wir über die Vergangenheit, und das konnte man selten so herzlich und unbeschwert tun wie bei dem Film „Kundschafter des Friedens“. Der ja noch eine zweite Ebene hat – die in unserer Gesellschaft so gerne gering geschätzten und beiseite geschobenen „Oldies“. Daß sich aus diesen Geld machen läßt, hat Hollywood mit den (ähnlich hoch besetzten) „R.E.D.“-Filmen bewiesen. Und auch hier kann man nur sagen: Hut ab vor der alten Garde. Robert Thalheim hat das mit wunderbar leichter Hand und exaktem Plazieren der Pointen inszeniert.
 
Die gute, alte DDR. Überall hießen sie schlicht und einfach Spione, die ins Ausland geschickt wurden, um zu schnüffeln und Geheimnisse heimzubringen. Dort allerdings nannte man sie „Kundschafter des Friedens“ (angeblich hat die sowjetische „Prawda“ diesen Ausdruck erfunden). Jedenfalls waren sie ganz gewitzte Kerle, auf die der deutsche BND (sprich: Bundesnachrichtendienst) zurückgreifen muß, als sie einen wichtigen Agenten in „Katschekistan“ (schön fiktiv, aber dergleichen Provinzen und Länder gab es massenhaft) verlieren.
Ausgerechnet Jochen Falk (hinreißend der trockene Berliner Humor von Henry Hübchen) soll gefälligst seine Ortskenntnisse auspacken, damit das Jungvolk in Gestalt von Paula Kern (Antje Traue hat mehr drauf, als man anfangs meint) in den Mittleren Osten abreisen und den guten Mann, um den es geht, befreien kann. Er ist übrigens ihr Vater und Jochen Falks Nemesis, denn dieser Frank Kern hat ihn einst lustvoll enttarnt. Da ist noch ein Hühnchen zu rupfen, da will Falk mit, und zwar nicht er – der Stratege – allein, sondern gemeinsam mit seinen einstigen Helfern: der perfekte Techniker Jacky (man sieht Michael Gwisdek, den nachdrücklichsten, verschmitztesten Komiker des Films, zuerst, als er in seinem Minigeschäft einen gerichteten Toaster über die Theke reicht) und der zynische Logistiker Locke (Thomas Thieme wirft seine volle, „grantig“ wirkende Persönlichkeit ins Geschehen).
Die jungen Spunde beim BND können gar nicht genug spotten: Ob Paula Erfahrung in der Altenpflege habe, wird geätzt, und: Die werden noch froh sein, wenn wir ihnen über die Straße helfen, oder: Werden die wohl den Flug überleben? Die Oldies hingegen wollen beweisen, „daß wir der bessere Geheimdienst waren“. Und so geht es los, eine junge Frau und drei alte Männer ins staubige Katschekistan, wo die Zeit fast stehengeblieben ist, die ehemalige Sowjetrepublik noch überall gegenwärtig. Und die alten Spione haben ihre Beziehungen – und ihre Tricks. Was braucht Jacky, um eine Tasche zu öffnen, in der sich vielleicht eine Bombe befindet? Vier Büroklammern…
 
Nichts an diesem Film ist ernst zu nehmen, aber die satirischen Pfeile schwirren in alle Richtungen. Die Agentenparodie, aufgehängt an der guten alten DDR, funktioniert durch ihre Pointen und ihre Darsteller. Der Fortschritt wird gezaust, wenn Jochen Falk den Computer seiner jungen Mitarbeiterin kurzerhand aus dem Fenster wirft: „So arbeite ich nicht!“ Und natürlich bewähren sich die alten Methoden, wobei man sich nur Stichworte zuwirft – „Stockholm 83“ (totaler Stromausfall, Verwanzung, das ganze Programm) oder „Kugelschreiber mit Mikrophon? Das hatten wir schon 72 bei Euch im Kanzleramt!“ Also.


v.l.n.r.: Henry Hübchen, Jürgen Prochnow, Thomas Thieme,Michael Gwisdek

In Katschekistan gibt es viele alte Bekannte, unliebsamer und freundlicherer Natur (Winfried Glatzeder als Harry), die Handlung wird immer parodistischer, und schließlich holen sie Erzfeind Frank Kern (Jürgen Prochnow) aus der Misere, der natürlich kein Quentchen dankbar ist, sondern sofort mit den alten Querelen beginnt. Am Ende gibt es nicht „Beirut 82“, sondern „Bonn 2016“, Kern, für den man natürlich auch keine Verwendung mehr hat, schließt sich den anderen an – welch eine Viererbande!
Und angesichts dieser Oldies-Schelmengeschichte, die mit allen Wassern gewaschen ist, kann man nur bedauern, daß das kein Fernsehfilm war. Dann könnte man mit Sicherheit noch ein paar Fortsetzungen erwarten. Na, R.E.D. brachte es ja auch auf Teil 2 und 3…
 
 
 
Renate Wagner