Viel Witz aus Italien-Klischees

Dirk Böhling inszeniert Jan Weilers „Maria, ihm schmeckt’s nicht“ fürs WLT

von Daniel Diekhans

„Maria, ihm schmeckt’s nicht“
zieht viel Witz aus Italien-Klischees
 
Komödie nach dem gleichnamigen Roman von Jan Weiler.
Bühnenfassung von Dirk Böhling.
 
Inszenierung: Dirk Böhling - Bühne: Manfred Kaderk - Musikalische Leitung: Tankred Schleinschock - Choreographie: Barbara Manegold - Kostüme: Jaqueline Schienbein - Licht: Niels Kastner - Ton: Aaron Boltner
 
Mit: Vesna Buljevic, Samira Hempel, Stefanie Kirsten, Mike Kühne, Thomas Tiberius Meikl, Bülent Özdil, Francesco Russo, Tankred Schleinschock, Pia Seiferth, Guido Thurk, Maximilian von Ulardt
 
Autor Jan Weiler nennt sein Buch „Maria, ihm schmeckt's nicht“ einen „Roman über das Fremdsein“. Er erzählt davon, wie der Italiener Antonio zum Arbeiten nach Deutschland kommt und wie sein deutscher Schwiegersohn Jan in eine italienische Familie einheiratet. Beeindruckend ist dabei, daß Weiler für seinen Roman einen so leichten, heiteren Ton gefunden hat.
Dirk Böhling hat „Maria, ihm schmeckt's nicht“ jetzt für das Westfälische Landestheater in Castrop-Rauxel adaptiert. Aus dem Erfolgsroman machte er eine augenzwinkernde Komödie. Zum Gastspiel im ausverkauften Remscheider Teo Otto Theater kamen 600 Zuschauer.
 
Wer mit im Theatersaal saß, erlebte nicht bloß eine Romanadaption, sondern ein richtiges Musical. Unterstützt von Tankred Schleinschock am Flügel, gaben 10 Schauspieler flotte Gesangseinlagen mit italienischen Schlagern. So gab es – passend zum Titel – ein Wiederhören mit „Mamma Maria“ von Ricchi e Poveri, das Anfang der Achtziger Jahre auch die deutschen Hitparaden stürmte. Und als Antonio alias Francesco Russo mit frischem Tenor „O sole mio“ schmetterte, ging ein wahrer Jubelsturm durchs Publikum.
Zum Gesang kam der Tanz. Nicht nur beim Hochzeitsfinale, sondern auch am Badestrand legten die hervorragend eingestellten Schauspieler in der Choreographie von Barbara Manegold eine kesse Sohle hin.
Dabei begann das gut anderthalbstündige Stück leise, ja zurückhaltend. Als Jan mußte sich Maximilian von Ulardt erst einmal einen Weg durch den Theatersaal bahnen, bevor er auf der schwarz verhüllten Bühne stand. Unter einem der Stofftücher kam sein Schwiegervater in spe hervor – zur Überraschung und zum Vergnügen der Zuschauer.
 
Jan und das Publikum merkten schnell: Antonio war ein Patriarch alter Schule. Ohne ihn ging nichts in dieser deutsch-italienischen Familie. Doch sobald Jan ihn geradeheraus um die Hand seiner Tochter Sara bat, sprang Antonio vom Sofa auf und schloß seinen zukünftigen Schwiegersohn in die Arme: „Meine liebe Jung!“
Das Abenteuer namens „Ich heirate eine Familie“ nahm seinen Lauf. Denn für den Brautvater war sonnenklar, daß Jan nun auch unbedingt seine Verwandtschaft in Italien kennenlernen mußte. Während das Sofa zum Auto umfunktioniert wurde, schoben die Schauspieler Kulissenwände ins Licht, auf denen Ausstatter Manfred Kaderk italienische Postkarten-Motive zeigte. Von Weintrauben und Pinien bis zum schiefen Turm von Pisa hatte er nichts ausgelassen. Dazu sang Pianist Schleinschock das Lied von „Bella Italia“.
Klischee-Alarm? Auf jeden Fall! Aber Regisseur Böhling gelang es, viel Witz aus den Klischees zu schlagen. Dieses Bühnen-Italien war so knallig bonbonbunt, daß man es nicht mit der Wirklichkeit verwechseln konnte.
 
Auch beim Zusammenprall der Kulturen spielte Böhling gekonnt mit Stereotypen. Da war Antonios aufgekratzt-fröhliche Verwandtschaft, die auf die höflich-steifen Eltern von Jan traf. „Der Deutsche sucht Probleme, der Italiener hat Probleme“, sagte Antonio an einer Stelle. Sein Spruch enthielt mehr als ein Körnchen Wahrheit.Das sah man spätestens dann, als das Ensemble Szenen aus dem Leben des jungen Antonio spielte. Da machten auf den ersten Blick harmlose Deutsche dem „Gastarbeiter“ und seiner deutschen Frau das Leben schwer. In diesen Szenen wurde der Humor bissig, steigerte sich zur Satire. Doch blieb kein bitterer Nachgeschmack zurück.
Dafür sorgten schon die gut aufgelegten Schauspieler. Im Mittelpunkt stand eindeutig Francesco Russo. Den „Padrone“ Antonio spielte er mit einnehmendem Charme. Damit konnte er jedes Herz erweichen. Er brachte sogar den wasserscheuen Jan dazu, mit ihm ins Meer zu steigen. „Nicht schwimmen“, erklärte Russo, „laß uns schweben!“
 
Trotz Russos prominenter Rolle konnten die Brautleute Pia Seiferth und Maximilian von Ulardt gut neben ihm bestehen. Ihre Spezialität waren die vielen pointierten Dialoge, die Regisseur Böhling aus der Romanvorlage gezogen hatte. Nur Vesna Buljevic, die Antonios Ehefrau Ursula spielte, konnte ihrer Rolle kaum Konturen geben.
Und dann war da noch die Riege der Nebendarsteller, die gekonnt von einer Rolle zur nächsten wechselten. Besonders Samira Hempel und Stefanie Kirsten glänzten in dieser Disziplin. Ob deutsche Borniertheit in Kittelschürze oder italienische Unbekümmertheit – sie fühlten sich in beiden Welten sichtbar wohl.
 
Daniel Diekhans