Ein „Höllentrip“ durchs Opernhaus Wuppertal

„Die Hölle/ Inferno – Reise ins Innere“ mit Thomas Braus

von Daniel Diekhans

Thomas Braus - Foto © Klaus Lefebvre

Publikum machte einen „Höllentrip“ durchs Opernhaus Wuppertal
 
„Die Hölle/ Inferno – Reise ins Innere“
frei nach der „Divina Commedia“ von Dante Alighieri.
Deutsche Übersetzung von Kurt Flasch, Bühnenfassung von Thomas Braus
 
Inszenierung und Bild: Johann Kresnik - Bühne, Licht und Ton: Philipp Coen, Kevin Staples und Philipp Wulfhorst - Kostüm: Elisabeth von Blumenthal - Maske: Markus Moser - Requisite: Christian Beckers
Mit: Thomas Braus - Frauenstimme: Luisa Rubel
 
Kresniks „Hölle/ Inferno“ zeigte Wuppertals künftigen Schauspiel-Intendanten Thomas Braus in Topform
 
Am Ende von „Hölle/ Inferno“ stand Johann Kresnik nur kurz vor den frenetisch klatschenden Premierenbesuchern. Der große Theatermann, inzwischen 77 Jahre alt, schickte lieber seinen Schauspieler Thomas Braus nach vorne. „Dein Applaus“, sagte Kresnik und klopfte Braus demonstrativ auf die Schulter. Er wußte, was er dem Interpreten seiner neuen Inszenierung zu verdanken hatte.
„Hölle/ Inferno“, das Ein-Mann-Stück nach Dantes Jenseits-Epos „Divina Commedia“, nahm im Kronleuchterfoyer des Wuppertaler Opernhauses seinen Anfang. Erst sah es danach aus, als wolle Braus alias Dante den Höllentrip – eine „Reise ins Innere“, wie der Untertitel des Stücks klarstellte – gar nicht antreten. Panisch riß er sich Hemd und Jackett vom Leib: „Ich habe Angst, Angst!“ Wie ein gehetztes Tier raste er die Foyertreppe hinauf und kroch sie wieder hinunter. Bis eine andere Stimme aus ihm sprach. „Wenn du durch die Hölle gegangen bist, wirst du dich vielleicht erkennen.“
Er machte sich also auf den Weg und forderte sein Publikum auf, ihm zu folgen. Gemeinsam trat man durch die Tür mit der Aufschrift „Nur für Mitarbeiter“ – ein Reich, das Opernhausbesuchern sonst verborgen bleibt. Hier war der Abstieg in die Höllenkreise ein Aufstieg die Etagen hinauf bis unter das Kuppeldach.
 
Die schmalen Brücken und Leitern, auf denen üblicherweise Bühnentechniker Scheinwerfer und Vorhänge bedienen, waren Braus' Spielwiese. Auf ihnen kletterte er herum, hangelte sich an ihnen entlang. Als er sich auf eines der Metallgerüste legte und einen Strick um seinen Hals schlang, konnte man sich ernsthaft Sorgen um ihn machen- Teil der gut 60-minütigen Inszenierung. So wie der Schrecken, den er den Zuschauern immer wieder einjagte. Mal schilderte der Schauspieler ebenso eindringlich wie ausführlich die Torturen, die die Verdammten litten, dann wieder trieb er seine Reisegefährten zur Eile an. Daß er einen damit buchstäblich auf die falsche Fährte lockte, war dabei nicht ausgeschlossen. „Ich hoffe, Sie genießen Ihren Höllentrip!“, bemerkte er maliziös.
Virtuos war auch sein Aus-der-Rolle-Fallen. Wenn ihm Dantes „Selbstmitleid“, wie er sagte, zu viel wurde, brachte er einfach einen neuen Charakter ein. Dazu brauchte es nur einen leicht veränderten Tonfall, ein paar Gesten und vielleicht noch etwas Schminke.
Braus, der im nächsten Jahr als Schauspielintendant der Wuppertaler Bühnen eine ganz andere Rolle übernimmt, konnte sich bei „Hölle/ Inferno“ so richtig austoben. Doch von einer „Produktion von ganz besonderer Sprengkraft“, wie man vorab im Internet lesen konnte, war das Stück weit entfernt.
 
Bei seiner ersten Wuppertaler Theaterarbeit zeigte sich Johann Kresnik, seit den 1960ern für seine provokativen Inszenierungen gefürchtet und prämiert, überraschend zahm. Wenn Braus etwa Wahlplakate deutscher Parteien mit Kunstblut besudelte, wirkte das nicht bilderstürmerisch, sondern paßte schlicht nicht zum Thema der „inneren Reise“.
Braus' Spiel konnte einen je nach Situation nachdenklich machen oder zum Lachen bringen. So etwas wie existentielle Dringlichkeit, ein Erkenntnisschock wollte sich nicht einstellen.
Dafür zeigte ein Vollblutschauspieler hier eine weitere Probe seines großen Talents. Das rechtfertigte durchaus die Begeisterung seiner Zuschauer.
 
Weitere Vorstellungen:
Im alten Jahr ist „Hölle/ Inferno“ am 21., 28. und 30. Dezember zu sehen. Im neuen Jahr folgen Aufführungen am 28. Januar und 1. Februar 2017. Alle Aufführungen finden unter dem Dach des Wuppertaler Opernhauses statt. Treffpunkt ist das Kronleuchterfoyer, Beginn jeweils um 21 Uhr.
 
Daniel Diekhans