Die EU darf nach Aleppo vor Putin nicht weiter kuschen

Ein Kommentar

von Ulli Tückmantel

Foto © Anna Schwartz
Die EU darf nach Aleppo
vor Putin nicht weiter kuschen

Von Ulli Tückmantel
 
Als Deutschland zu Jahresbeginn den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) übernahm, stellte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) drei Ziele in den Vordergrund: Dialog erneuern, Vertrauen neu aufbauen, Sicherheit wieder herstellen. Diese Ziele haben Baschar al-Assad und Wladimier Putin unter den Leichen- und Trümmerbergen von Aleppo begraben.
Die EU, die seit Beginn der Kriegsverbrechen in Syrien weiß, daß die USA in diesem Konflikt ein diplomatischer Total-Ausfall sind, hat nun zum x-ten Mal seit dem Massaker von Srebrenica 1995 dabei zugesehen, wie kaltblütige Warlords mit Orgien des Mordens und der Zerstörung rücksichtslos ihre Ziele verfolgen. Weder war die EU bereit, dem Zivilisationsbruch militärisch entgegen zu treten, noch hat sie ihn politisch in den Griff bekommen.
In seiner offenbar unerschöpflichen Gesprächsbereitschaft erklärte Steinmeier am Freitag, nun gehe es mehr denn je darum, Menschenleben zu retten, und die Verantwortung dafür liege in Damaskus, Moskau und Teheran. Sicher, Steinmeier meint es gut. Aber für den Zynismus, der darin liegt, gleichzeitig noch immer keine EU-Koalition zustande zu bekommen, die den Willen aufbringt, Haftbefehle gegen die Kriegsverbrecher in Damaskus, Moskau und Teheran auszustellen, sie zu jagen, zu ergreifen und in Den Haag vor den Internationalen Strafgerichtshof zu stellen, fehlt dem deutschen Chef-Diplomaten offenbar das Gespür.
Die Hoffnung, dass Wladimir Putins Machtstreben irgendwann gestillt sein könnte, ist irrig. Die EU hat nur noch die Wahl, weiterhin jedem Diktator der Welt ihre selbstverschuldete Machtlosigkeit zu demonstrieren, oder endlich Konfliktbereitschaft zu zeigen. Der G20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg unter deutschem Vorsitz wäre dazu eine gute Gelegenheit.
Es ist doch ein schlechter Witz, daß gegen die 37 Personen auf der Embargo-Liste der EU elfmal die Unterstützung Putins als Begründung angeführt wird, Putin selbst aber überhaupt nicht auf der Liste steht, weil man ihn nicht weiter provozieren will. Was passiert eigentlich, wenn Putin als zur „Verteidigung“ weiterer russischer Minderheiten in den Staaten des ehemaligen Ostblocks ausrückt? Ruft Steinmeier – dann vielleicht schon als Bundespräsident – zu allgemeiner Besonnenheit und vor allem die Nato zur Mäßigung auf?
 
 
Der Kommentar erschien am 17. Dezember 2016 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.