Zuckerguß eines aufgebauschten Historienfilms

„Paula – Mein Leben soll ein Fest sein“ von Christian Schwochow

von Renate Wagner

Paula – Mein Leben soll ein Fest sein
(Deutschland/Frankreich 2016)

Regie: Christian Schwochow
Mit: Carla Juri, Albrecht Schuch, Roxane Duran, Joel Basman, Stanley Weber u.a.
 
Frauen können keine Malerinnen werden“, meinte Vater Becker, aber Tochter Paula war von nicht alltäglicher Entschlossenheit. Später sollte sie als Paula Modersohn-Becker (1876-1907) eine der berühmtesten deutschen Malerinnen überhaupt sein, und das, obwohl sie nur 31 Jahre alt wurde. Ihre Lebensspanne hat sie allerdings genützt – Wikipedia verzeichnet für die vierzehn Jahren, in denen sie künstlerisch tätig war, 750 Gemälde, etwa 1000 Zeichnungen und 13 Radierungen. Dabei war sie die meiste Zeit damit beschäftigt, den Widerstand der Männerwelt gegen Künstlerinnen, gegen die Frau als Künstlerin (welche Zumutung!) wild zu bekämpfen.
Die Frauen des 19. Jahrhunderts, die ihren eigenständigen Platz suchten, fanden und behaupteten, sind derzeit bevorzugte Filmheldinnen. Regisseur Christian Schwochow fand (nach dem Drehbuch von Stefan Kolditz und Stephan Suschke) eine Unmenge von Handlung vor. Wie Paula durchsetzte, in Worpswede zu studieren, wo man auch Frauen als Schülerinnen duldete, wie sie der Werbung des eben verwitweten Otto Modersohn (Albrecht Schuch) nachgab, der ihr aber eine Josefsehe aufzwang, wie ihre eigenwillige, jede „Schönheit“ und Harmonie verschmähende Malweise verspottet und abgelehnt wurde („Hände wie Löffel, Gesichter wie Idioten“, urteilte man über ihre Porträts).
 
Wie sie dem Gatten schließlich den Rücken kehrte und zu ihrer Freundin Clara Westhoff (Roxane Duran), die mittlerweile Rainer Maria Rilke (Joel Basman) geheiratet hatte (auch ein verrücktes Paar, das sicher ebenfalls bald auf der Filmleinwand erscheinen wird), nach Paris ging und dort in dem Maler Georges (Stanley Weber) auch einen Liebhaber fand. Wie sie aus Geldnot und unter der Androhung, in ein Irrenhaus eingesperrt zu werden (alles Abweichende wurde mit der „Hysterie“ der Frau begründet), zu Modersohn zurückkehrte und nach der Geburt ihres Kindes (ob ihr Pariser Liebhaber, ob Modersohn der Vater war…) in jungen Jahren starb. Eine wilde Geschichte.
Sie wird allerdings überraschend „schön“ erzählt, tatsächlich komponiert der Regisseur Szenen in wogender Natur, läßt Paula und Clara, die jungen Mädchen, in wehenden weißen Kleidern herumtollen, als machte er einen „Trotzkopf“- oder Gartenlaube-Film (dabei rebellierten die beiden gewaltig und bewußt gegen ihre Welt), und lädt alles Geschehen mit einer Intensität auf, die immer „gemacht“ wirkt.
Und Hauptdarstellerin Carla Juri (das ist jene Darstellerin, die sich vor ein paar Jahren in die „Feuchtgebiete“ wagte) hat ein so intensives Romy-Schneider-Lächeln, daß es einem künstlichen Grinsen gleichkommt. Und auch die Männer schmachten und schmalzen ganz unwahrscheinlich. Da, wo die Geschichte in ihrer Unbarmherzigkeit erzählt gehörte, bekommt sie den Zuckerguß eines aufgebauschten Historienfilms von anno dazumal, die romantische Verklärung der außerordentlichen Künstlerin.

So hätte sich Paula Modersohn-Becker mit einiger Sicherheit nicht gesehen – man braucht bloß ihre Bilder zu betrachten, um zu wissen, wie schief da vieles liegt.
 
 
Renate Wagner