Ein beklemmendes Stück Zeitgeschichte

Volker G. Heinz – „Der Preis der Freiheit“

von Frank Becker

Ein beklemmendes Stück Zeitgeschichte
 
Berlin 1966. Seit fünf Jahren teilt eine kaum zu überwindende Mauer die Stadt in das freie West-Berlin und den Ostteil, die Hauptstadt der radikal diktatorisch regierten DDR. Noch kurz vor ihrem Bau beteuerte der Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht: „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten.“ Doch die anhaltende Fluchtbewegung von Fachkräften, Akademikern und Arbeitern aus dem „sozialistischen“ Unterdrückungsstaat in die Bundesrepublik Deutschland setzt die DDR-Führung unter Druck. Das Land droht auszubluten. Die Mauer wird gebaut und zeigt für die nächsten 38 Jahre die häßlichste Seite des autoritären des Militär- und Polizeistaates DDR. Sie trennt dramatisch Familien und läßt bei einst Ausreiswilligen die Hoffnung sterben, je frei von staatlicher Willkür leben zu können.
 
Der aus einer wohlhabenden Wuppertaler Familie stammende Jura-Student Volker G. Heinz, Angehöriger des Heidelberger Kösener Corps Suevia, nimmt uneigennützig und aus dem Gefühl heraus helfen zu müssen – er beschreibt es später in seinem Buch „Der Preis der Freiheit“ selbst als Helfer-Syndrom - und sicher auch ein wenig aus Abenteuerlust Kontakt zu Fluchthelfern auf. Man sucht, nachdem die Tunnelbau-Aktionen unter der Mauer hindurch zu riskant geworden sind, nach möglichst risikoarmen anderen Wegen von Ost nach West. Mit Hilfe eines korrupten syrischen Diplomaten gelingt es ihnen, 66 Menschen aus der DDR nach West-Berlin zu bringen, darunter Freunde eines Corpsbruders, des später von der RAF ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer. Mit dem ständigen Risiko entdeckt zu werden, leben die Fluchthelfer. Und wirklich wird dann die Aktion durch einen eingeschleusten StaSi-Spitzel verraten und Volker G. Heinz verhaftet. Monatelang wird er im StaSi-Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen unter erbärmlichen Bedingungen inhaftiert und verhört und schließlich zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt. Auf Betreiben seiner Corpsbrüder Hanns Martin Schleyer und Werner Knieper kauft ihn die Bundesrepublik bei gleichzeitigem Austauschgegen zwei KGB-Spione frei.
 
In seinem Buch schildert Heinz die Zeit der Fluchthilfe und die Bedingungen der Haft und Verhöre bis zum Austausch nach einem Jahr. Der Leser bekommt einen bedrückenden Einblick in die Verhältnisse des Haftsystems der DDR, wenn auch wirklich genaue Beschreibungen der Umstände und Personen fehlen, sieht man von zweien seiner „Verhörer“ ab. Auch die Anwälte Wolfgang Vogel (DDR) und Jürgen Stange (BRD), die seinerzeit das umfangreiche Tauschgeschäft zwischen den beiden deutschen Staaten „betreut“ haben, sind Teil des Verfahrens. Daß Vogel nach dem Zusammenbruch der DDR von Heinz vor Gericht vertreten wurde, mutet schillernd an. Das Martyrium, das Heinz in der Haft erlitten hat, bleibt trotz vieler Reflexionen merkwürdig oberflächlich beschrieben. Zwar suchte er im wiedervereinten Deutschland nach den noch vorhandenen Spuren seines Verfahrens und recherchiert ausgiebig die geheimen Geschäfte zwischen Ost und West, doch konnte er nicht alle Dokumente und Beteiligten auffinden. Daß der erwähnte StaSi-Verräter aus eigenen Reihen später nicht mehr erwähnt wird, macht nachdenklich. Man wird mitunter den Eindruck nicht los, daß der erfolgreiche, international gefragte Jurist das stilistisch etwas holperige und romantisierende Buch nicht ganz alleine geschrieben hat. Dennoch: ein dramatisches Dokument über Zivilcourage, Fluchthilfe und Gefangenenaustausch im Kalten Krieg.
 
Volker G. Heinz – „Der Preis der Freiheit“
Eine Geschichte über Fluchthilfe, Gefangenschaft und die geheimen Geschäfte zwischen Ost und West 
© 2016 Rowohlt Verlag, 239 Seiten, Broschur, 8 Fotoseiten  -  ISBN 978-3-499-63176-4
9,99 €
Weitere Informationen:  www.rowohlt.de  -  www.rororo.de