Beckfelds Briefe

An Dieter Hallervorden

von Hermann Beckfeld

Hermann Beckfeld - Foto © Dieter Menne
Lieber Dieter Hallervorden,
 
für mich Sind Sie Paul Averhoff. Der Läufer, den Sie in dem Film „Sein letztes Rennen“ spielen, der es sich im hohen Alter nochmal beweisen will, der sich nicht darum schert, was die anderen über ihn sagen; der sich stets unterschätzt gefühlt hat und im Film den Satz sagt: „Das ganze Leben ist ein Marathon.“
Sie wurden im September 81 Jahre alt, hinter Ihnen liegt eine lange Wegstrecke; sie war mal holprig, mal glatt, häufig mit überraschenden Wendungen und Umwegen. Jetzt, nach fast 60 Jahren auf der Bühne und vor der Kamera, scheinen Sie auf Kurs zu sein. Endlich dürfen Sie wieder Haupt-, ja Charakterrollen spielen, zuletzt in „Sein letztes Rennen“, „Honig im Kopf“ und „Chuzpe“; Sie wurden gefeiert und mit Preisen überhäuft.
Es gab Etappen, da haben Sie mich echt genervt; mit Ihren affigen Comedy-Auftritten, mit Ihrer schrillen, affektierten Stimme. Den Blödel-Didi mit seinem ewigen, ständig überdrehten „Palim-Palim“ und „Nonstop Nonsens“, mit seinen doofen, ja primitiven Liedern hab ich weggezappt. Das war mir alles zu albern.
Doch niemals war Ihr Lebensweg langweilig, selten gerade, manchmal geheimnisvoll. Sie studierten Romanistik in Ost-Berlin. Sie planten nach eigenen Angaben mit einem Freund ein Attentat auf Walter Ulbricht, doch eine Freundin hielt Sie im letzten Moment davon ab. Sie zogen 1958 nach West-Berlin und wurden dort acht Jahre später wegen Mordverdachts verhaftet, doch der Vorwurf erwies sich als völlig haltlos. Sie gründeten das bekannte Kabarett „Die Wühlmäuse“, besitzen neben der Berliner Kabarettbühne das Schloßpark Theater, in dessen Renovierung Sie mehr als eine Million Euro investierten. Wohl auch deswegen durfte Didi nicht aufhören, Klamauk zu machen.
Sie haben mit zwei Ehefrauen vier Kinder und gerade erst Ihre Liebe zu der 34 Jahren jüngeren Christiane öffentlich gemacht. Daß dies wieder eine heftige Diskussion auslöste, war Ihnen egal, nicht aber, was Ihr 17-jähriger Sohn Johannes davon hält: „Es gehört sehr viel Mut dazu, nochmal zu neuen Ufern aufzubrechen, ohne womöglich die Sympathie des eigenen Sohnes zu verlieren.“
Mir gefällt, daß Sie ehrlich und konsequent sind, daß Sie sagen: „Ich habe einen starken Willen und eine persönliche Meinung. Ihr müßt mich hinnehmen, wie ich bin.“  Mir imponiert, daß Sie zu den wenigen Künstlern gehören, die sich gegen Erdogans Machtpolitik („Eines Tages wird er über sich selbst stolpern“) auflehnen, die auch Kritik an der Kanzlerin üben. Manchmal schießen Sie für mich übers Ziel hinaus, so wie 2015 bei der österreichischen Romy-Verleihung, als Sie mit dem Satz „Und morgen führe ich die Romy heim ins Reich“ provozierten.
 
Lieber Dieter Hallervorden,
 
Sie und ich kennen genug, die schweigen, um nicht anzuecken; die zu bequem, zu feige sind, Idioten Paroli zu bieten; die es bis ans Lebensende zulassen, fremdbestimmt zu werden; die keine Kraft, keinen Mut haben, zu kämpfen. Paul Averhoff, der Marathonmann, sagt, Sie sagen. „Wer stehen bleibt, hat schon verloren.“ Ich bitte Sie: Laufen Sie noch ganz, ganz lange weiter.“
 
Mit besten Grüßen
Hermann Beckfeld   
 


Mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Ruhr Nachrichten.
„Beckfelds Briefe“ erscheinen jeden Samstag im Wochenendmagazin dieser Zeitung.