Beckfelds Briefe

An Herbert Knebel

von Hermann Beckfeld

Hermann Beckfeld - Foto © Dieter Menne
Lieber Herbert Knebel,
lieber Uwe Lyko,
 
boah glaubse, das wird schwer. Jetzt schreibe ich Ihnen beiden, dabei sind Sie so unterschiedlich und doch nur eine Person. Unser Herbert, Langzeitrentner, einfach gestrickt, aber auf keinen Fall dumm, Geschichtenerzähler, ein Typ eben, mit großer Schnauze, ruhig auch mal unbeherrscht, dabei irgendwie doch immer sympathisch. Und Uwe Lyko, ehrlich, geradeaus, höchst intelligent, ein bißchen schüchtern und scheu, alles andere als eine Rampensau; eher einer, der unerkannt bleiben möchte, den wir nur an der Stimme erkennen, wenn überhaupt.
 
Vor acht Jahren, in der schnöden Mehrzweckhalle von Voerde, habe ich Sie beide getroffen. Auf der Bühne den Kult-Revier-Opa, mit Hornbrille, einem Monsterkassengestell, Prinz-Heinrich-Mützenträger mit oller Jacke und Hochwasser, schon ein wenig schwach auf den Beinen; Herbert, der an jedem Kiosk mit der Pulle Bier stehen könnte und uns die Welt nicht erklärt, sondern bunter, leichter macht. Oder noch besser als Kunde im Supermarkt, grantig und cholerisch in Höchstform, ungeduldig wartend in der Schlange vor der Wursttheke, bis er total ausflippt; herrlich auch die Geschichte von seinem Kumpel Mörtel, der die Decke abhängt und den Fußboden anhebt, um Heizkosten zu sparen. Ein Klassiker.
Nach dem Affentheater, verschwitzt, geschafft, geerdet trotz der Zugabe-Ovationen, trafen wir uns hinterm Vorhang. Als Uwe Lyko, ungeschminkt und abgekämpft, Mineralwasser trinkend aus der Flasche, haben Sie mir von Ihrem Leben erzählt. Der Klassenclown, der auf Nummer sicher geht und Fernmeldetechniker wird. Den es auf die Bühne zieht, der seinen Job schmeißt, in der WG lebt, so vieles ausprobiert und verwirft, bis 1988 Herbert Knebel zu nörgeln beginnt. Seitdem touren Sie durch die Heimat und darüber hinaus. Komischerweise lachen auch Ostfriesen und Bayern und nicht nur die über die Anekdoten, die Ehefrau Guste, die Enkel Marzel und Jackeliene in der Essener Zitty oder beim Kindergeburstach erleben.
Scheinbar zeitlose Geschichten, die Herbert als Solist so unverwechselbar spießig, ungelenk, manchmal prollig, aber nie als Kotzbrocken, zum Besten gibt – übrigens ohne Attacken auf Minderheiten wie Ausländer und Schwule. Nie würden Sie zu tief unter die Gürtellinie gehen, die Ruhrgebiets-Romantik mit Kohle, Stahl, Ruß und Dreck verklären. Lieber lästern Sie über den Kleingärtner, der mit dem Zollstock nachmisst, ob die Hecke auch hoch genug ist. Den gibt’s überall, aber nirgendwo besser als im Pott. 
Am Tisch nebenan saßen in Voerde Ihre Affentheater-Kumpels, und Sie verrieten mir, daß Sie mit Martin Breuer (Ernst Pichl), Detlef Hinze (der Trainer) und Georg Göbel-Jakobi (Ozzy Ostermann) manchmal vor der Show so viel Spaß hätten, daß schon fast die Luft raus sei, wenn Sie auf die Bühne müßten. Sie mußten es nicht sagen, ich spürte es: Für kein Geld der Welt würden Sie die drei im Stich lassen.
 
Lieber Herbert,
 
Uwe Lyko ist neulich 62 geworden. Du wirst immer älter sein und doch zeitlos bleiben. Deshalb wirst Du uns noch lange den Alltag erklären. So, wie er ist; so, wir ihn haben wollen.
Was würdest Du sagen, was würden wir sagen, wenn dann doch mal Schicht wäre? Richtig: „Boah, ich glaub, ich geh kaputt.“
 
Glückauf
Hermann Beckfeld  
 


Mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Ruhr Nachrichten.
„Beckfelds Briefe“ erscheinen jeden Samstag im Wochenendmagazin dieser Zeitung.