Edgar Degas und Auguste Rodin

Eine Führung durch die Wuppertaler Ausstellung - Kapitel 7

von Gerhard Finckh

Aguste Rodin „L’âge d’airain“ - Foto © Frank Becker

Edgar Degas und Auguste Rodin
Wettlauf der Giganten zur Moderne

25. Oktober 2016 – 26. Februar 2017
im Von der Heydt-Museum Wuppertal

B
is zum 26. Februar 2017 zeigt das Von der Heydt-Museum in Wuppertal mit der Gegenüberstellung von Werken des Malers Edgar Degas und des Bildhauers Auguste Rodin die erste Ausstellung dieser Art überhaupt. Der Museumsdirektor und Kurator Dr. Gerhard Finkh führt mit kurzen Kapiteln, die wir in den kommenden Wochen vorstellen, in die Chronologie der Ausstellung ein.

Kapitel 7 / Raum 7
Edgar Degas und Auguste Rodin
Der Skandal
 
Rodin und Degas, beide Künstler provozierten mit ihren Werken große Skandale. Aber beide gingen auf sehr unterschiedliche Weise mit der veröffentlichten Meinung ihrer Kritiker um.
Als Rodin unter dem Titel „Der Besiegte“ 1877 seine lebensgroße Gipsplastik eines nackten, verwundeten Soldaten mit zerbrochener Lanze im Cercle Artistique in Brüssel ausstellte, wurde ihm vorgeworfen, er habe sein Modell, den ehemaligen Soldaten Auguste Neyt, einfach abgeformt. Doch Bildhauerkollegen wie Carrier-Belleuse und Alexandre Joseph Falguière sprangen ihm hilfreich zur Seite, der Irrtum konnte aufgeklärt werden, und als Rodin die Plastik kurz danach, nun in Bronze und unter dem Titel „L’âge d’airain“ im Pariser Salon ausstellte, wurde sie sogar vom französischen Staat angekauft. – Rodin war rehabilitiert und erhielt in der Folge dieser öffentlichen Aufmerksamkeit immer wieder große Aufträge wie den für das „Höllentor“, die „Bürger von Calais“ oder das Denkmal für Balzac.
Edgar Degas betrat die Bühne der Bildhauerei mit Aplomb. 1881 zeigte er auf der 6. Ausstellung der Impressionisten, die in Nr. 35 Boulevard des Capucines stattfand, die lebensgroße Plastik einer „kleinen Tänzerin von 14 Jahren.“ Diese Wachsfigur der Elevin Marie van Goethem war mit einem echten Tutu, seidenen Tanzschuhen, einer Echthaarperücke mit Seidenschleife so ausgestattet, daß Kritiker auch in diesem Fall glaubten, es handele sich um einen Abguß vom Modell. Hinzu kam, daß Degas in derselben Ausstellung Pastellzeichnungen von zwei damals berühmt-berüchtigten Kriminellen, Émile Abadie und Pierre Gille zeigte. So war es für die Kritiker fast naheliegend zu vermuten, Degas habe mit der 14jährigen Tänzerin möglicherweise eine zukünftige Prostituierte porträtiert. Ihr Gesicht schockierte das bürgerliche Publikum, man empfand es als „schrecklich häßlich“ und assoziierte es mit den Physiognomien der Kriminellen.


Edgar Degas, Kleine Tänzerin - Quelle: Wikimedia Commons

Der Skandal war perfekt. Aber Degas reagierte anders als Rodin: seine vielen kleinen Plastiken, die in den folgenden Jahren entstanden, Tänzerinnen, sich pflegende Frauen, Pferde, stellte er nie aus. Erst nach seinem Tod fand man sie in seinem Atelier, zum Teil beschädigt, schon zerbröselt und goß 72 davon in Bronze. Für Degas bedeutete dieser Skandal, daß er zunehmend verbitterte, sich zurückzog und zunächst nur durch seine Gemälde, Pastelle, Zeichnungen und Monotypien anerkannt und berühmt wurde.
 
 
Heute im Von der Heydt-Museum: Vortrag über „Der bewegte Mensch“
 
Im Rahmen der Vortragsreihe von Bergischer Universität und Von der Heydt-Museum hält Prof. Dr. Ralf Konersmann am Dienstag, 22. November, 18 Uhr, einen Vortrag über „Der bewegte Mensch“ im Von der Heydt-Museum Wuppertal, Turmhof 8. „Der bewegte Mensch“ ist ein zentrales Thema in den kulturwissenschaftlichen Überlegungen des berühmten Kunsthistorikers Aby Warburg. In seinem Vortrag vertritt der Kieler Philosoph Ralf Konersmann die These, dass auch Auguste Rodin als Künstler seinen plastischen Arbeiten die Idee des bewegten Menschen zugrundegelegt und sie in zahlreichen Facetten ausformuliert hat. Eintritt frei.