Ein „Oscar“-würdiges Meisterstück

„Kater“ von Klaus Händl

von Renate Wagner

Kater
(Österreich – 2016)

Drehbuch und Regie: Klaus Händl
Mit: Philipp Hochmair, Lukas Turtur, Thomas Stipsits, Manuel Rubey u.a.
 
Der Händl Klaus, wie er sich nennt, weil man in seiner Heimat Tirol den Familiennamen zuerst sagt, ist ein erfolgreicher Dramatiker. 2008 hat er seinen ersten Film gedreht, und „März“ war eine interessante Studie darüber, wie seine schweigsamen Tiroler Landsleute mit dem Phänomen des Schmerzes umgehen, den sie in sich einschließen. Acht Jahre später gibt es nun mit „Kater“ seinen zweiten Film, wo in entscheidenden Momenten auch geschwiegen wird… und als Psychodrama ist die Geschichte jedenfalls höchst bemerkenswert.
 
Sie beginnt allerdings verwirrend anders, nämlich als homosexuelle Idylle, die fast einem Werbefilm für diese Lebensform gleicht. So tief verliebt, so offenherzig versext, so nackt an glühender Seele und begierigem Leib hat man zwei Männer selten auf der Leinwand gesehen wie Andreas und Stefen, gespielt von Philipp Hochmair und Lukas Turtur, offen und doch nie ausgestellt exhibitionistisch. Liebe und Sex als Einheit gehört zu dem erfüllten Leben dieses Paares, und glücklicherweise sind sie alt genug, daß sich nie ein unguter Beigeschmack einschleicht, auch attraktiv genug, um in dem, was sie tun, nicht peinlich und lächerlich zu werden.
Und, man muß es sagen, diese gut halbstündige Exposition des schwulen Glücks ist notwendig für alles, was danach geschieht. Zur Idylle des perfekten Lebens gehört zuerst, daß beide beruflich fest in einem kleinen Orchester verankert sind, Andreas als so etwas wie Manager, Organisator, Stefen als Hornist, und der Freundeskreis der Berufskollegen funktioniert (dort gibt es auch ein schwules Pärchen, Thomas Stipsits und Manuel Rubey, die allerdings viel gehemmter wirken). Andreas und Stefen haben ein hübsches Haus mit Garten irgendwo im Wienerwald, sympathische Nachbarn, die sie voll akzeptieren, und sie haben den – Kater. Dieser Kater Moses, der offenbar Andreas gehört, agiert wie das dritte Mitglied und der nötige Katalysator dieser Beziehung.
 
Wer sein Leben vielleicht mit Hunden verbracht hat, wird mit Lust und Staunen zusehen, wie sich so ein Kater immer wieder in den Mittelpunkt des Geschehens spielen kann, fast wie ein wohlwollender Beobachter der beiden, quasi Sinnbild ihres Glücks. Händl Klaus widmet als Regisseur dem Tier fast so viel Beachtung wie den Menschen und setzt ihn wunderbar in Szene. So daß das Entsetzen dann voll zuschlägt.
Es geht alles so schnell, daß man auch als Zuschauer, der ja dabei ist, nachher nicht zu sagen wüßte, was eigentlich passiert ist: Der Kater auf dem Tisch, eine plötzliche, aus dem Nichts kommende scharfe Bewegung von Stefen – und das Tier ist tot, offenbar den Hals gebrochen. Und von diesem Augenblick ist auch die Beziehung gestorben.
Händl Klaus liefert keine Erklärungen für das Geschehene – Stefen weiß es nicht, der erstarrte Andreas, der nie wieder Vertrauen fassen kann, weiß es nicht, die Psychiater wissen es nicht, ob so ein Ausbruch sinnloser Gewalt wieder erfolgen kann… niemand weiß es.
 
Wir sehen nur Stefen in verzweifelter Reue (der Unfall am Zwetschkenbaum, der ihn ein Auge kostet, wirkt wie eine verzweifelte Sühne), wir sehen Andreas, der nicht mehr kommunizieren kann, und beobachten, wie sich die Dinge im Alltag nur minimalistisch fortbewegen, wobei Händl Klaus auch den Psychothriller bedient – Wird Andreas sich rächen? Ist Stefen noch zu trauen? Jedes Messer, jeder Pilz wird zur potentiellen Waffe von Rache oder Gewalt. Was kann das kleine weiße Kätzchen, das die Nachbarn wie unschuldsvoll bringen, bewirken?
Kein Spoiling des Endes, nur eines: die hintergründige Spannung reißt nicht ab. Dieses Meisterstück hätte man für den „Oscar“ einreichen sollen – aber dafür sind die Amerikaner wohl doch zu prüde… Auch bei der Berlinale lief der Film auf der entsprechenden „Schiene“.
 
 
Renate Wagner