Meht anne Ruhr

Rainer Bonhorst – „Dr. Antonia Cervinski-Querenburg“

von Frank Becker/Red.

         

   

Tauben, Zechen, Pommesbuden
 
Wie fing dat eintlich allet so an im Revier? Wie überall fing et an: mitte Steinzeit und seine Menschen, nämmich mit den Sappienz Sappienz und die Neandertaler. Nur dat dat im Ruhrgebiet schon viel früher anfing. Nämmich mit dat Waldsterben und mitti ganzen Bäume inne Erde und dat die sich so lange da inne Erde gequetscht haben, bis die sachten: Gezz sind wir Kohle. Danach ging et immer so weiter: mit den faulen Bauer seine Frau und den ganzen Ärger mit die Römer, mit dat wilde Mittelalter, mit dat Ruhrgebiet seine Hexen und seine Schlotbarone, mitti Zechen und die ihre poetische Namen und mit dat Ruhrgebiet sein berühmtestet Stück: Wanne-Eickel.“
Also, wenn man mal wirklich aus berufenem Mund die ganze Wahrheit über das Ruhrgebiet und seine Geschichte erfahren möchte, hat man mit Dr. Antonia Cervinski-Querenburg die genau richtige Quelle an der Hand. Rainer Bonhorst, viele Jahre WAZ-Redakteur und trotz seiner fränkischen Herkunft ein waschechter Ruhrepottler, hat die kundige und sprachgewandte Heimatkundlerin und Reviersprachforscherin erfunden und ihr eine wöchentliche WAZ-Kolumne verschafft, in der sie einem wissensdurstigen Reporter Rede und Antwort steht. Jetzt ist er, also Rainer Bonhorst, nicht der Reporter, zwar wieder fort, im schwäbischen Augsburg nämlich, das die Bayern für sich reklamieren (wie übrigens auch Franken), aber sein Herz hat er ans Revier verloren. Vier Bände mit gesammelten Antonia-Kolumnen hat er beim Verlag Henselowsky Boschmann herausgegeben, zwei davon stellen wir Ihnen heute hier vor.
Für den sprachunkundigen Leser - Frau Dr. Antonia spricht, was auch sonst, waschechtes Ruhrdeutsch - empfiehlt sich zum besseren Verständnis die Hinzuziehung der empfehlenswerten Bände von Werner Boschmann „Von Aalskuhle bis Zymtzicke“ - Lexikon der Ruhrgebietssprache“ und Heinz H. Menge – „Mein lieber Kokoschinski!“ - Der Ruhrdialekt. Beispiel: „Meht anne Ruhr" (Made an der Ruhr).
 
 
Rainer Bonhorst – „Dr. Antonia Cervinski-Querenburg erzählt dat Ruhrgebiet seine Geschichte“
© 2011 Verlag Henselowsky Boschmann, 64 Seiten, gebunden, mit farbigen Illustrationen von Michael Hüter  -  ISBN 978-3-942094-18-4
9,90 €
 
Inhaltsverzeichnis:
Statt ein Vorwort: Wie dat allet anfing 4  Inne Steinzeit 6  Bei die Neandertalers 8  Am Jagen und am Sammeln 10  Den Bauer und seine Frau 12  Wo die Kelten abgeblieben sind 14  Den ewigen Ärger mit die Römer 16  Wat die Franken mit die Sachsen gemacht ham 18  Die Frolleinkes von Essen 20  Die Duisburger ihrn Vatter Rhein 22  Dat ewige Auf und App von Doatmund 24  Dat wilde Mittelalter anne Ruhr 26  Dann hamse onnoch Minne gesung 28  Wie die Ruhris aufgeklärt wurden 30  Dreißig Jahre Zoff anne Ruhr 32  Dat Revier seine Hexen 34  Die Völkerschlacht um dat Ruhrgebiet 36  Wie dat waa, eh dat die Fabriken kamen 38  Die ollen Gründer und ihre Straßennamen 40  Dann kamse aussen Osten 42  Die Schlote ihre Barone 44  Die Zechen ihre Poesie 46  Die dicke Berta und dat dicke Ende 48  Die Franzosen und ihre Liebe zu et Revier 50  Meht anne Ruhr 52  Den Aufschwung mit die Tauben 54  Dat beste Stück von et Revier 56  Dat unsichtbare neue Ruhrgebiet 58  Den ganzen Fortschritt vonne Sprache 60  Statt ein Nachwort: Vergangenheit und Gegenwaat 62 
 
Rainer Bonhorst – „Dr. Antonia Cervinski-Querenburg - Daaf ich Sie noch ma wat lernen?“
Illustriert von Michael Hüter
© 2012 Verlag Henselowsky Boschmann, 64 Seiten, gebunden  -   ISBN 978-3-922750-47-5
9,90 €

Daaf ich Sie noch ma wat lernen? Dat klingt schlimmer, wie et is. Weil die Dr. Antonia Cervinski-Querenburg ihrn Sprach-Unterricht nich wat fürn Ernst is, sondern wat fürn Spass.
Unser Sprachforscherin hat getz zwaa son Lernstuhl, wo die ihre Studenten wat lernt
(Seite 4). Aber wat se uns so lernt, is ganz eimfach. Steht auch in ihre Emscher-Grammatik (Seite 30): Ruhrdeutsch is, wie wenne wie von selber sprichs. In Dr. Antonia ihr Büchsken gibt et ne Menge alte Bekannte. Zum Beispiel den mit dat aufe Hemd (Seite 11) und den mit die heiße Kirschen (Seite 16) und den mit den Revier-Goethe (Seite 48). Aber dat Doktorken hat auch en ganzen Packen echt neue Stückskes auf Lager: Dat mit dat Rosane (Seite 40) und dat mit dat Kulturrevier seine Kulturbeutels (Seite 44) und die mit die Omma-Auma-Linie (Seite 36).
 
Inhalt:
Statt ein Vorwort  Dr. Antonia und ihr Lernstuhl (4) - Dat Revier und seine Sprache  Dr. Antonia … und dat Urruhrdeutsch (6) … und dat Menschliche (8) -  Den Gebrauch von die Sprache  Dr. Antonia … und dat aufe Hemd (11) … inne Sackgasse (14) … und die Kirschen (16) … und die alte Dame (19) … und die Köttelbecke (22) … und die Pommesbude (24) - Dat Revier und seine Grammatik  Dr. Antonia … und der Wen-sein-Fall (27) … und die Emscher-Grammatik (30) … und dat der die das (32) - En bissken Lautlähre  Dr. Antonia … und die Tee-Schwäche (34) … und Omma-Auma-Linie (36) … is schwer am Staunen (38) -  En bissken Wortlähre  Dr. Antonia … und dat Rosane (40) … und dat Hangende (42) - Die Ruhr seine Kultur  Dr. Antonia … und die Kulturbeutels (44) … und der Revier-Räpp (46) … und der Revier-Goethe (48) … is rum am schütteln (52) … und dat Abgestrackte (54) - Dat Internationale an unser Deutsch  Dr. Antonia … anne Koppa (56) … und dat oddinäre Jau (58) … und die Aatischocken (60) -  Statt ein Nachwort  Dr. Antonia und ihre Omma anne Emscher (62) 

Sicher erlaubt uns der Verlag, sozusagen als Appetitanreger, hier eine der köstlichen Geschichten zu präsentieren:

Dr. Antonia und die Pommesbude

Reporter: Frau Dr. Antonia Cervinski-Querenburg, was treibt Sie eigentlich immer an diese Würstchenbuden?
Dr. Antonia: Hunger. Aber nich alleine.
Reporter: Wen nehmen Sie denn mit?
Dr. Antonia: Et is nich alleine den Hunger, wat mich anne Bude treibt.
Reporter: Ach so. Sondern? Was noch?
Dr. Antonia: An sonne Pommesbude krich ich immer son schönet Sprachgefühl im Magen.
Reporter: Sprachgefühl? Im Magen?
Dr. Antonia: Jau, schon alleine dat Wörtken Pommes. Wie dat klingt. So lecker satt. Pommfritz geht natürlich auch. Is aber schon wat vornehmer.
Reporter: Ja, sehr vornehm. Und reizt Sie sonst noch was an der Frittenbude?
Dr. Antonia: Jau, die Fritten auch. Und dann diese Beilagen.
Reporter: Welche Beilagen?
Dr. Antonia: Na, diese ganzen Beilagen. Und die ihre Dialoge, die lass ich mich auch immer aufe Zunge zergehen.
Reporter: Die Dialoge?
Dr. Antonia: Klar. Wenne zum Beispiel Pommes hols. Dann gibt dat ja nich nur die Pommes. Da gibt et dann immer auch dat Magonese- Gespräch.
Reporter: Magowas?
Dr. Antonia: Dat Majonäse-Gespräch. Kenn Se nich, Herr Reporter? Dat geht so: Ich sach: Zweima Pommes. Dann fracht die: Mit Majo? Dann sarrich: Eima mit und eima mit ohne.
Reporter: Mit ohne?
Dr. Antonia: Jau, wir im Revier geben den Ohne gerne noch son Mit mit. Weil dat Ohne ohne son Mit so alleine wär.
Reporter: Das klingt aber kompliziert.
Dr. Antonia: Isset aber nich.
Reporter: Was sagen Sie zum Beispiel, wenn Sie ohne Ihren Mann an Ihre Bude gehen?
Dr. Antonia: Muss ich denn mein Mann, den Queri, nach überall mitnehm?
Reporter: Ist ja nur ein Beispiel.
Dr. Antonia: Na, gut. Wat ich dann sach, wenn ich den nich mitnehm?
Reporter: Ja.
Dr. Antonia: Dann sarrich: Also, heute komm ich ma mit ohne mein Mann.
Reporter: Natürlich. Und nimmt Ihr Mann Majonäse?
Dr. Antonia: Den hab ich doch gaa nich bei. Ich bin doch mit ohne den anne Bude gekomm.
Reporter: Stimmt ja. Und wenn er nicht da ist, nimmt er auch keine Majonäse. Ich übrigens auch nicht. Ich will nur eine Currywurst.
Dr. Antonia: Schaaf oder mittel?
Reporter: Schwein. Schaf mag ich nicht.
Dr. Antonia: Ich lach mich kaputt über Sie Ihre Scherze, Herr Reporter. Ich hab Sie doch nur gefracht, ob Se Ihre Körriwurst schaaf oder mittelschaaf ham wolln.
Reporter: Und was wäre, wenn ich sie überhaupt nicht scharf mag?
Dr. Antonia: Geht nich. Körriwurst gibt et entweder echt schaaf oder mittel. Labberich hamwer nich.
Reporter: Und wenn ich meine Currywurst noch schärfer als scharf haben möchte?
Dr. Antonia: Dann sagen Se ganz eimfach: Frollein, könn Se bissken nachwüazn? Dann sagt dat Frollein vonne Pommesbude: Marrich doch glatt.
Reporter: Vielen Dank, Frau Dr. Antonia, für dieses mittelscharfe Interview. Was würde ich mit ohne Sie nur machen.

Weitere Informationen:  www.vonneruhr.de