Beckfelds Briefe

An Patrick Süskind (26.03.2016)

von Hermann Beckfeld

Hermann Beckfeld - Foto © Dieter Menne
Heute starten wir unsere neue Sonntags-Kolumne mit „Beckfelds Briefen“, die wir Ihnen am Freitag in einer Rezension vorgestellt haben. Den Anfang macht Hermann Beckfeld bei uns mit seinem Brief an Patrick Süskind.
Er ist der bekannteste unbekannte deutsche Autor. Patrick Süskind meidet die Öffentlichkeit; er gibt keine Interviews. Aber er schreibt nach seinen weltweiten Bestsellern wie „Das Parfum“ auch keine neuen Romane. Wie seine Hauptpersonen gilt er als Sonderling, kauzig und genial.
 
Sehr geehrter Patrick Süskind,
ich weiß nicht, wohin ich die Glückwünsche zu Ihrem heutigen 66. Geburtstag schicken soll. Ich habe gelesen, Sie wohnen wechselweise in München, Paris oder in Ihrer Villa am Starnberger See. Aber im Grunde verstecken Sie sich vor den Menschen. Sie sind unsichtbar, haben kein Gesicht. Die wenigen Fotos, die im Netz kursieren, sind alt. Sie sind so alt wie das Buch, das Sie berühmt, das Sie reich gemacht hat: „Das Parfum“, einer der bedeutendsten Romane des 20. Jahrhunderts. Übersetzt in 49 Sprachen, seit 1985 mehr als 20 Millionen Mal verkauft. Sie haben die Geschichte von Jean-Baptiste Grenouille, die unglaubliche neun Jahre lang auf der „Spiegel“-Bestsellerliste stand, mit Ansage geschrieben. Als Kind sagten Sie einem Freund: „Ich schreibe einen großen Roman, und von den Einnahmen werde ich leben.“
Grenouille, unter dem Schlachttisch einer Fischbude geboren, der größte Parfümeur aller Zeiten und späterer Serienmörder, war ein Sonderling, ein Einzelgänger, ein Kauz, der vor sich selbst und den Menschen flüchtete, der nur schwer mit dem Leben zurechtkam. So wie Quasimodo im Roman „Der Glöckner von Notre-Dame“. Wie Oskar Matzerath, der Gnom aus „Die Blechtrommel“. So wie Jonathan Noel, der Wachmann in Ihrer Novelle „Die Taube“. So wie der Musiker, Ihr Antiheld, der in „Der Kontrabaß“ mit seinem Schicksal hadert. So wie Sie, einer der besten Schriftsteller und Drehbuchautoren unserer Zeit.
Es klingt so kurios, so seltsam, weil ich fast glaube, daß Sie genau dieses wollten: Das Bild, das ich von Ihnen im Kopf habe, zeigt Jakob Windisch, den verstörten, eigenwilligen Autor im Film „Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief“. Der weltfremde Windisch ist so scheu, daß er sich das Essen im Nebenraum eines Restaurants servieren läßt; für kein Geld der Welt will er die Rechte an seinem Roman an den Filmproduzenten verkaufen. Dieser Produzent, er hat viel Ähnlichkeit mit Bernd Eichinger, der sich für zehn Millionen Euro die Rechte an Ihrem Bestseller sicherte. Sie sind weder zur Premiere noch zu irgendeiner anderen Gala und Preisverleihung gegangen. Sie haben Auszeichnungen abgelehnt und in all den Jahrzehnten vier Interviews gegeben. Sie sind abgetaucht wie Ihre Romanfiguren, die außerhalb unserer Gesellschaft stehen; die um Liebe und Anerkennung buhlen. Traurige Gestalten, enttäuscht, verwirrt, frustriert, verletzt.

Lieber Patrick Süskind,
Sie haben eine Lebenspartnerin, einen Sohn, den Sie jeden Morgen zur Schule bringen. Erst wenn der Junge alt genug und aus dem Haus ist, würden Sie wieder beginnen zu schreiben. Ich möchte es gern glauben, bezweifle aber, daß Sie die Kraft für ein neues Buch haben. Als „Das Parfum“ die Bestsellerlisten stürmte, sollen Sie gesagt haben: „So einen Roman zu schreiben, ist furchtbar.“ Lassen Sie es besser sein. Einer wie Sie muß sich nichts mehr beweisen. (26.03.2016)



Mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Ruhr Nachrichten.
„Beckfelds Briefe“ erscheinen jeden Samstag im Wochenendmagazin dieser Zeitung.