Nichts, was der Rede wert wäre

„Die glorreichen Sieben“ von Antoine Fuqua

von Renate Wagner

Die glorreichen Sieben
(The Magnificent Seven / USA – 2016)

Regie: Antoine Fuqua
Mit: Denzel Washington, Chris Pratt, Ethan Hawke, Vincent D’Onofrio, Haley Bennett, Peter Sarsgaard, Byung-hun Lee, Martin Sensmeier, Vincent D’Onofrio, Manuel Garcia-Rulfo  u.a.
 
In einer Welt der überall zu erwerbenden DVDs steht um den Preis einer Kinokarte fast die gesamte Kinoproduktion der vergangenen Jahrzehnte zur Verfügung. So nimmt man sich die alten „Glorreichen Sieben“ her – welch ein Genuß. Wie ruhig erzählt. Wie souverän, persönlichkeitsstark und differenziert die Darsteller. Wie verhältnismäßig klar die Handlung. Alles Eigenschaften, die der Neuverfilmung des Klassikers dringend fehlen. Ehrlich – nach Ben Hur ist das der zweite Bauchfleck beim Remake des großen Kinos von gestern.
Bloß – der neue Film unterscheidet sich gravierend vom alten. Am Ende bleibt als Handlungsmotiv zwar „die Sieben gegen den Bösewicht“, aber sie tragen nicht einmal dieselben Namen wie die Vorgänger, sie sind vage dieselben Figuren, man erkennt zwei, drei Zitate aus dem alten Film – sonst täte sich der neue leichter, wenn er sich nicht gewaltsam an ein Vorbild ankoppelte, das er doch nicht erreichen kann. (Gut wäre er aber ohne Vergleich noch immer nicht.)
Ja, warum muß man sich eigentlich an Yul Brynner, Steve McQueen, Horst Buchholz (in einer besonders wirkungsvollen Rolle) oder auch an die magische Musik von Elmer Bernstein erinnern, die den Film von John Sturges so unverwechselbar gemacht haben? Im Vergleich zum Original bietet das überlaute „Geklotze“ von Regisseur Antoine Fuqua, der Spezialist für Brutalo-Filme ist, genau das: laute Brutalität, vor allem am Ende, wo nicht genug gemetzelt werden kann.
Bis dahin sollte es um die „Sieben“ gehen, aber da muß gleich zu Beginn, als tyrannischer Quälgeist des kleinen Western-Städtchens, Peter Sarsgaard eine lächerlich miese Show als psychopathisches Kapitalisten-Monster abziehen. Unter den vielen Männern, die da sterben, hat einer eine Ehefrau – es wurde nämlich beschlossen, daß der Film (im Gegensatz zum ersten, wo ein schönes Mexikanermädchen ganz „nebenbei“ blieb) weiblichen Aufputz braucht. Nur daß Haley Bennett mitnichten reizvoll ist. Was ihr durchschnittlich-uninteressantes Gesicht schuldig bleibt, versucht sie durch ihr Dekollete zu kompensieren, aber nein, es reicht nicht. Sie muß dann beim Rekrutieren der sieben Outlaws, die ihre Stadt vom Tyrannen befreien sollen, gewaltig mitwirken. Es interessiert bloß keinen.
 
Man soll nicht die ganze Zeit vergleichen, sonst ärgert man sich (aber diese herrlich ruhige Selbstverständlichkeit von Brynner und das minimalistische schiefe Lächeln von McQueen – unvergeßlich!). Da muß also Denzel Washington zu seinem Einstand einen blödsinnig pathosgeladenen Heldenauftritt hinlegen (man weiß schon: einer gegen alle in der Bar, und am Ende liegen alle auf dem Boden und der Held entschreitet locker).
Und dann geht die Figur, die hier Sam Chisolm heißt, irgendwie verloren. Und die anderen tauchen gar nicht so richtig auf. Ein paar sind nur Typen – einer, Byung-hun Lee, eben Koreaner (die USA verdienen derzeit ein Heidengeld auf dem asiatischen Markt, darauf muß man Rücksicht nehmen); einer, Martin Sensmeier, ein Indianer (der Darsteller hat so viel Alaska-Blut, daß man es ihm ohne weiteres glaubt – außerdem helfen die Tätowierungen); einer, Manuel Garcia-Rulfo, ein Mexikaner (man sieht, alles drin im korrekten Ethno-Mix); einer, Vincent D’Onofrio, ein weißbärtiger Dickwanst, der komisch sein soll und schließlich mit pathetischer Ausführlichkeit sterben muß.
Und dann noch zwei größere Rollen neben Washington, der, wie erwähnt, eigentlich keine hat: Chris Pratt, dem es bei all seinen Hauptrollen noch nie gelungen ist, positiv (oder überhaupt) aufzufallen und der es auch diesmal nicht schafft. Und Ethan Hawke, der eine Knallcharge sinnloser darstellerischer Überdrehtheit hinlegt, vermutlich nur, damit man ihn bemerkt.
Obwohl der Film sich zweieinviertel Stunden Zeit nimmt, wüßte man kaum zu sagen, was da eigentlich alles passiert ist – außer das Gemetzel am Ende: Da mündet die Langeweile und Unübersichtlichkeit, an der man bis dahin litt, in eine Materialschlacht fürchterlichen Ausmaßes. Dabei bringt der Bösewicht eine Frühform eines Maschinengewehrs in die Schlacht. Historischer Nachhilfeunterricht. Sonst? Nichts, was der Rede wert wäre. Mühelos zu vergessen. „Die glorreichen Sieben“ – es gibt nur die einen. Damals, 1960 in Hollywood.
 
 
Renate Wagner