Die Linie als Ursprung

Lutz Fritsch - „Cosmos“

von Frank Becker/Red.

Lutz Fritsch Tectonic Gap T2 2013 - Foto © Frank Becker

Lutz Fritsch - Cosmos


Die Linie als Ursprung
 
Von Köln-Süd bis Bonn-Nord spannt sich zwischen zwei 50 Meter hohen roten Stangen über eine Distanz von 25 Kilometern ein in seiner Theorie zwar begreifbarer, jedoch nur durch eigene Anwesenheit erfahrbarer Energie-Bogen – Lutz Frischs „Standortmitte 2008“, ein Kunstobjekt von unerhörten mentalen Dimensionen. Ähnlich fesselnd die 25 Meter hohe Stahlskulptur „Rheinorange“ (1992) in Duisburg-Kaßlerfeld an der Mündung der Ruhr in den Rhein bei Rheinkilometer 780. Auch Arktis und Antarktis sind Ereignisorte von Lutz Fritschs skulpturalen Setzungen im Außenraum, die völlig neue Sichtweisen und tief beeindruckende Erkenntnisse über Größe, Weite und Dimension möglich machen.


Lutz Fritsch erläutert den Wuppertaler Parameter 2014 - Foto © Frank Becker
 
Ab morgen ist Wuppertal im Fokus: Das Von der Heydt-Museum zeigt bis zum 26. Februar eine umfangreiche Werkschau des Kölner Künstlers, seinen „Cosmos“ aus Objekten, Skulpturen, Installationen, Fotografien und Zeichnungen. Selbstverständlich hat Fritsch der gastgebenden Stadt und ihrem Museum ein Werk gewidmet, den „Wuppertaler Parameter“, zu sehen in der Ausstellung. Seit 1978 beschäftigt sich Lutz Fritsch (* 1955) mit der Linie, ihrer Ausdehnung, ihrer Erscheinung ihrem Ort auf dem Papier und an der Wand. „Raum wird durch Fläche und Linie definiert. Linien, die für sich alleine stehen, die Linie, die eine Fläche umreißt, die dann farblich zu füllen ist.
Meyer und Brockhaus definieren die Linie genealogisch, mathematisch, militärisch und als Maßeinheit, zuvörderst aber geometrisch als Grenze zwischen Teilen einer zweidimensionalen Fläche. Bei Lutz Fritsch trifft sich das – übertragen – alles irgendwie in seiner Fragestellung: „Wie kommt das Eine zum Anderen?“ Das Rezept ist „Einköcheln“, die Reduktion aufs Wesentliche. Das Ziel, den Ausgleich der Linien zu erreichen.

 
 Lutz Fritsch, Konstruktion - Foto © Frank Becker
 
Kennzeichnend für seine künstlerische Arbeit ist die einerseits intuitive, andererseits analytische Auseinandersetzung mit dem Raum, die in Skulptur, Zeichnung und Fotografie ihren Ausdruck findet. Sein außergewöhnlichstes Projekt ist sicher die „Bibliothek im Eis” (2005) in der Antarktis, die als Ort der Kultur einen Gegenpol zu der weißen Weite und der Leere des ewigen Eises setzt. In der Ausstellung wird durch Wandarbeiten, Objekte, Arbeiten auf Papier, Künstlerbücher und Fotografien ersichtlich, daß der Bildhauer Lutz Fritsch von der Zeichnung ausgeht. Das weiße Blatt suggeriert hier den unendlichen Raum; durch die ungerahmt gehängten Wandarbeiten wird der Innenraum zum Spannungsfeld, Farbflächen werden zu Farbräumen und Linien zu Bewegungsspuren.


Lutz Fritsch, Sitzgruppe Irmgard - Foto © Frank Becker
 
Man spürt: Lutz Fritsch glüht für seine Kunst, der zuliebe er in die unwirtlichsten Gegenden unseres Planeten gereist ist und die er als eloquenter Cicerone und oft über die Titelgebung dem Betrachter mit einem gewissen Augenzwinkern unmittelbar nahebringt.
Arbeiten wie „Kaufhaus Fritsch“, „Sitzgruppe Irmgard“ oder „Reiseskulptur I“ offenbaren den tiefen Humor des Künstlers, der zwar die (nicht mathematische) erfühlte Präzision zum Prinzip hat, den hochgestochenen Ernst in der Kunst hingegen ablehnt. Dafür stehen auch Stücke wie „Anlehnung“ und die Serie „Postkarten lügen nicht“, die er seit 1980 produziert.

 
 Lutz Fritsch, Anlehnung - Foto © Frank Becker
 
An einer Längswand, die er „Wimmelwand“ nennt, zeigt Lutz Fritsch dicht bei dicht Arbeiten auf Papier und Objekte, seinen Cosmos, ein „Mosaik“. Wer ästhetisches Vergnügen, Freude am Schönen und Heiterkeit in der Kunst schätzt, sollte sich diese Ausstellung nicht entgehen lassen. Hier ist er (und natürlich auch sie) gut aufgehoben.
 

Lutz Fritsch Cosmos Wimmelwand - Foto © Frank Becker
 
Lutz Fritsch - „Cosmos“
Von der Heydt-Museum Wuppertal
9. Oktober 2016 - 26. Februar 2017- Vernissage am 9.10.2016, 11.30 Uhr - es sprecen Dr. Gerhard Finkch (Direktor Von der Heydt-Museum) und Dr. Hans Günter Goilinski (Direktor Kunstmuseum Bochum)

Am 13.Oktober um 18.30 Uhr hält Lutz Fritsch unter dem Titel
Von Ort zu Ort im Von der Heydt-Museum einen Vortrag über seine Projekte im Außenraum (siehe oben). Der Eintritt ist frei.
 
Zur Ausstellung ist der im reinen Wortsinn bildschöne Katalog „Cosmos“ erschienen, herausgegeben von Gerhard Finckh (Von der Heydt-Museum Wuppertal) und Alexander Klar (Museum Wiesbaden, Hessisches Landesmuseum für Kunst und Natur)
© 2015 Verlag Kettler / Lutz Fritsch, 112 farbige Seiten, fest gebunden mit Schutzumschlag
20,- Euro
 
Weitere Informationen: www.von-der-heydt-museum.de