Böser Bube zum braven Bubi gemacht

„Egon Schiele: Tod und Mädchen“ von Dieter Berner

von Renate Wagner

Egon Schiele: Tod und Mädchen
(Österreich – 2016)

Regie: Dieter Berner
Roman und Drehbuch: Hilde Berner
Mit: Noah Saavedra, Maresi Riegner, Valerie Pachner, Marie Jung, André Jung, Larissa Breidbach, Cornelius Obonya, Elisabeth Umlauft u.a.
 
Es sah nach einem vorauseilenden Skandal aus, der einem Film über einen stets skandalumwitterten Künstler als Werbung durchaus wohl getan hätte, es wurde dann nur keiner: Als Facebook im Juli den Filmtrailer zu „Egon Schiele“ wegen „Nacktbildern“ sperrte, gab das keinesfalls den vom Verleih sicherlich erträumten Medien-Shitstorm. Inzwischen laufen die Trailer allerorten auf YouTube und auch in Facebook, und der Film, den Dieter Berner nach dem Roman und Drehbuch seiner Frau Hilde Berger über Egon Schiele gedreht hat, steht für sich allein.
Er ist allenfalls – neben Publikum und Kritik – Egon Schiele selbst verantwortlich, dessen Leben in einem sehr sauber gemachten, das Milieu schön auspinselndem „Biopic“ dargestellt wird, Berner kann schließlich seit Menschengedenken sein Handwerk. Das Problem liegt darin, wie glatt, gesäubert und damit verharmlost ein Künstler dargestellt wird, der nur aus den Extremen seiner Persönlichkeit zu begreifen ist.
Wenn heute sein Werk aus dem „Existenziellen“ her interpretiert wird, hat das natürlich seine Berechtigung – aber sich in einer Halbwelt zu bewegen, wo schnell hingekritzelte Nacktbilder (den Damen auch zwischen die Beine geschaut) Geld brachten, kann wirklich nicht dermaßen verharmlost werden. Warum legen wir eigentlich heuchlerisch bei großen Künstlern die „Unschuldsvermutung“ an, obwohl wir genau wissen, daß das Unsinn ist?
 
Egon Schiele also, der so jung und genial war und mit erst 28 (!) Jahren 1918 in Wien Opfer einer Grippewelle wurde. Bis dahin hatte er unfaßliche rund 350 Gemälde und an die 3000 Zeichnungen und Aquarelle geschaffen. Der Film bietet als nahe liegende Rahmenhandlung das Sterben Schieles und seiner Frau in einer kalten Wohnung und in Rückblenden die Streiflichter seines Lebens. Wobei es, gemäß dem zugrunde liegenden Roman von Hilde Berger, um Schiele und die Frauen geht.
Eine stark und eifersüchtig an ihn gebundene Schwester (Maresi Riegner), die schon – ungeachtet ihrer beider Jugend – sein erstes Nacktmodell ist, wobei Inzest kaum sanft angedeutet wird. In einem Praterbordell, dem Nina Proll als strenge Herrin vorsteht, taucht die farbige Moa Mandu (Larissa Breidbach) als Bürgerschreck so unvermittelt in Schieles Leben auf, wie sie urplötzlich wieder verschwunden ist. Von Klimt (Cornelius Obonya) „erbt“ er dessen Modell Wally Neuzil (Valerie Pachner wirkt viel zu alt und schwer für diesen Inbegriff eines ausgebeuteten „süßen Mädels“), die Frau seines Lebens.
Dann, als er meint, nur durch eine bürgerliche Heirat einen einigermaßen angemessenen Lebensstil erlangen zu können, bandelt Schiele mit zwei Schwestern Harms in Hietzing an: Adele (Elisabeth Umlauft) läßt er fallen, was sie ihm begreiflicherweise übel nimmt, Edith (Marie Jung) heiratet er, was ihn mit seinem Lebensstil zwischen Nacktbildern und Nacktmodels in Bedrängnis bringt, aber nicht genug, um schwer wiegend zu sein – er ist davor gestorben.
Der Film bringt auch noch die Episode, als Schiele in Tulln der Verführung einer Minderjährigen angeklagt wird (als Richter waltet ratlos angesichts des Falls André Jung) – das Drehbuch weiß natürlich, daß er unschuldig ist, man kann es aber auch bezweifeln. Nebenbei wird der arme Künstler als Spielball der Sammler gezeigt, die ihn ausbeuten. Und all das durchschreitet der exotisch aussehende Burgenländer Noah Saavedra, der Schiele durchaus ähnlich (wenn auch viel hübscher ist), mit unbeweglicher Freundlichkeit. Was in ihm vorgeht – wer weiß? Hier erfährt man es nicht.
Fazit: Der junge Herr Schiele, dem man da auf der Kinoleinwand begegnet, hätte nie Bilder von solcher Kraft, Dämonie und Exzessivität schaffen können wie der originale Schiele, um den man sich hier herumdrückt… Bekommt man hierzulande ein Prädikat „besonders wertvoll“ dafür, einen bösen Buben zu einem braven Bubi gemacht zu haben?
 
 
Renate Wagner