Notizen

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Harald Morsch
Notizen
 

1. Mißstimmungen: Irgendwo sang jemand, aber nicht sehr schön. Man fragte sich, wie dieser Falschsänger wohl aussehen könnte. Was für einen Charakter hat wohl jemand, der nicht schön singen kann? Egal, Hauptsache er sang nicht mehr.
 
2. Das Brettchen: Ich kann mich gut erinnern, daß mich der Verkäufer beim Kauf des Schneidbrettchens noch darauf hingewiesen hat, daß man dieses Brettchen nach Gebrauch immer von beiden Seiten abspülen muß. Ich vergaß zu fragen „warum?“. Warum muß man ein Schneidbrettchen, auf dem man nur auf einer Seite Zwiebeln geschnitten hat, trotzdem von beiden Seiten abwaschen? Das Leben ist voller Geheimnisse und man tut gut daran, sich nicht mit allem abzufinden. Übrigens hat das Schneidbrettchen auch keine Saftrinne.
 
3. Geräusche: Auch die Geräusche brauchen eine Umgebung, in die sie gehören. Manche Geräusche fühlen sich nur geborgen, wenn man sie hören kann, andere bevorzugen das unbemerkte  Entfalten in der Stille. Müssen wir zum Lachen in den Keller gehen? Stellen sie sich ihr Zweifeln in einer Kirche vor? Manchmal hört man fremde Geräusche, die nicht an den Ort passen, wo man gerade ist. Wer will Baulärm im Urlaub haben? Wer will das Schweigen seiner Schwiegermutter an seiner Frau bemerken? Es reicht doch, daß ihr Handyton ein Seufzer ist.  Die Stille im Freibad ist auch unheimlich, oder haben wir schon wieder Winter?  Der  Staubsaugersound könnte leise sein, aber wer traut einem leisen Staubsauger das Saubermachen zu? Heavy Metall Musik wirkt auch eher, wenn die Nachbarn sich darüber beschweren und ein Polzeieinsatz dem Lärm ein Ende bereitet. Manchmal kann das Schweigen wie eine Strafpredigt sein. Wenn du mich ansprichst, merke ich erst, wie wenig wir uns zu sagen haben. Es ist sonderbar, was ich für Geräusche mache, wenn ich nichts tue. Manchmal spielt aber Musik im Hintergrund eine Rolle. Wenn ich Nachrichten im Radio höre, bin ich ganz still. Einmal habe ich „Mama“ gesagt, als ich mich unbeobachtet fühlte.
 
 
© Erwin Grosche