Die Hitlerjugend zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Eine Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum in Köln

von Andreas Rehnolt/Red.


Die Hitlerjugend
zwischen Anspruch und Wirklichkeit
 
Eine Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum in Köln
 
Gleichschritt!? Die Hitlerjugend zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ ist der Titel einer Ausstellung, die seit Freitag im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln zu sehen ist. Zwischen 1933 und 1945 war die Hitlerjugend (HJ) die mitgliederstärkste Organisation im nationalsozialistischen Deutschland. Als das „Volk von morgen“ waren die Jugendlichen Adressat der NS-Propaganda und ein wichtiger Faktor der NS-Innenpolitik, hieß es zum Start der bis zum 12. März nächsten Jahres angesetzten Ausstellung.
Das öffentliche Bild von der Hitlerjugend als allmächtige Institution, der man sich als Jugendlicher nicht zu entziehen vermochte, ist bis heute geprägt von Propagandaaufnahmen der Nationalsozialisten und „Erfolgsmeldungen“ einer angeblich begeisterten „Staatsjugend“, so die Aussteller. Die Hitlerjugend sei allerdings gar nicht so gleichförmig ausgerichtet gewesen. Die HJ sei vielmehr gekennzeichnet gewesen von den ganz unterschiedlichen Lebenswelten (Stadt oder Land, Bürgertum oder Arbeiterschaft), in denen die Jugendlichen aufwuchsen.
 
Die Lebenswelten stellen den gesellschaftlichen Kontext, in dem die Hitlerjugend agierte, vor. Wie lebte man in den 1920er- und 1930er-Jahren in der Stadt und auf dem Land? Wie gestalteten sich Arbeit und Freizeit? Welche Auswirkungen hatte der kurz zuvor beendete Weltkrieg? Welche die Wirtschaftskrisen?
Arbeit und Ziele der Hitlerjugend werden unter den Aspekten Organisation, „Dienst“ und „Führer“ näher vorgestellt. Im Mittelpunkt steht dabei die Wehrerziehung, die vor allem die Aktivitäten in Jungvolk und HJ wesentlich prägte. Inwieweit die Hitlerjugend den selbst gestellten Ansprüchen gerecht wurde, wird an zahlreichen Beispielen überprüft.Auch die Erziehungsinstanzen Familie, Schule und Kirche hatten einen großen Einfluß. Mit ihnen stand die HJ in ständiger Konkurrenz bei dem Versuch, ihren Totalitätsanspruch in der Erziehung der Jugend durchzusetzen. Die Ausstellung bricht mit dem gemeinhin vermittelten Bild von der Hitlerjugend als gleichförmig marschierendem Block. Sie zeigt den sturen Dienstalltag ebenso wie die Überforderung der Jugendlichen mit einem überbordenden Bürokratismus sowie den permanenten militärischen Drill.
Dem Anspruch der Hitlerjugend folgend wurden alle anderen Jugendorganisationen von den Nationalsozialisten ausgegrenzt. Das führte zu zahlreichen Verboten, scharfer Überwachung und immer wieder zu Konflikten. Mit Karikaturen in der HJ-Zeitschrift „Niederrheinische Fanfare“ aus dem Jahr 1939 machte die „Reichsjugend“ deutlich, welche anderen Jugendgruppen wie bekämpfe. Daß die Hitlerjugend ihren Totalitätsanspruch nie gänzlich in die Tat umsetzen konnte, zeigt sich besonders deutlich an den Konflikten, die sie mit Jugendgruppen austrug, die sich dem auf sie ausgeübten Druck nicht beugen wollten. Das galt insbesondere für die konfessionelle Jugend und die unangepaßten Jugendlichen, das waren die Rote Jugend, die Katholische Jugend, die Sozialisten, die Pfadfinder oder die Evangelische Jugend.
Mit Kriegsbeginn verlor die HJ durch Einberufungen einen Großteil ihres Führerkorps. Sie mußte sich auch auf völlig neue Aufgabenfelder einstellen: Sammlungen und immer neue „Kriegshilfsdienste“. Die gesamte Hitlerjugend befand sich nach Angaben der Aussteller „im permanenten Kriegseinsatz“. Die militärische Indoktrination der Hitlerjugend lautete: „Wer in der HJ marschiert, ist Soldat einer Idee“.
 
Die als Wanderausstellung konzipierte Ausstellung zeigt an zahlreichen Beispielen aus Rheinland und Westfalen ein differenziertes Bild der NS-Jugendorganisation – jenseits der bekannten Propagandabilder.
 
Die Ausstellung ist dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr sowie samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr und jeden 1. Donnerstag/Monat bis 22 Uhr geöffnet.
Internet: www.nsdok.de 
Kontakt: NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln - Appellhofplatz 23-25 - 50667 Köln - Tel: 0221 - 221-26332

Redaktion: Frank Becker