Bombig

Jörg Marenski – „Rheinstadion“

von Michael S. Zerban

Bombig
 
Nach diesen Geschehnissen halte ich einen solchen Krimi für geschmacklos.“ Mit diesen Worten wird der Vorstandsvorsitzende des Sportvereins Fortuna Düsseldorf, Roland Schäfer, in den örtlichen Tageszeitungen zitiert. Mit den Geschehnissen sind die terroristischen Übergriffe in Frankreich und die Attentate in Bayern gemeint. Mit einem „solchen Krimi“ bezeichnet Schäfer den achten Band der Reihe „Düssel-Krimis“ von Jörg Marenski mit dem Titel Rheinstadion. So kurz nach dem Erscheinen kann der Fußballmanager, der im März dieses Jahres von Dynamo Dresden zu Fortuna Düsseldorf wechselte, allenfalls den Text auf der Rückseite des Buches gelesen haben. Warum er sich zu diesem ausgesprochen unpassenden Kommentar in der Öffentlichkeit hinreißen ließ, verraten die Lokalzeitungen nicht. Daß er dem Autor auch noch empfiehlt, er habe das Thema eher abstrakter angehen sollen, so zitiert ihn Uwe-Jens Ruhnau in der Rheinischen Post, zeigt eine bedenkliche Gesinnung.
 
In der Tat ist die Ausgangssituation des etwa 270 Seiten starken Kriminalromans drastisch. Drohnen fliegen in ein Fußballstadion ein und explodieren über der gegnerischen Fan-Kurve. 75 Tote gilt es letztlich zu beklagen. Die Schilderung dieser Katastrophe bleibt eher oberflächlich, aber das Gedankenspiel hat Potenzial. Technisch ist alles längst möglich, da hat der Autor sorgfältig recherchiert. Und er schildert auch im weiteren Verlauf, daß nicht der Terror die eigentliche Bedrohung ist, sondern viel eher die Hilflosigkeit des einzelnen angesichts der Übermacht eines Staates, der immer weniger Verantwortung für das eigene Volk übernimmt.
Jörg Marenski selbst betont, daß es hier nicht um Fußball oder Managementfragen desselben geht, sondern um die Ohnmacht des einzelnen, egal, wie intelligent er ist. Der Roman packt den Leser emotional bei aller Klischeehaftigkeit, die dem Genre zu eigen ist, und läßt ihn bis zur letzten Seite nicht los. Da darf gelacht und auch geweint werden, aber man darf sich auch Gedanken über die Entwicklung einer Gesellschaft machen, die derzeit gewaltig aus dem Ruder läuft. Marenski, der sich beileibe nicht als politischen Autor sieht, entwirft mit großer Dialogfreude eine Perspektive, die die Wirklichkeit im Grunde heute schon überholt hat, obwohl er sie doch in der Vergangenheit anlegt.
Es ist prinzipiell egal, ob hinter irgendwelchen Attentaten politische Kräfte stecken oder nicht. Unbestreitbar und von der Politik ignoriert, ist, daß immer mehr Individuen ins Kalkül ziehen, auch unter Verlust ihres Lebens für Werte einzutreten, die sie längst verloren glauben. Wie groß muß die Verzweiflung sein, die Marenski am konkreten Beispiel festmacht.
 
„Geschmacklos“ ist an diesem Roman rein gar nichts. Fesselnd ist er, mit großem Aufwand recherchiert, atemlos liest man ihn, ärgert sich allenfalls ein bißchen über die Privatgeschichten von Kommissar Oberle, die die Handlung unnötig aufhalten. Und wenn es irgendetwas zu kritisieren gibt an diesem Roman auf dem Niveau der besseren, also eher älteren Tatort-Verfilmungen, dann ist es das Null-Lektorat. Zwar wird der Name einer Lektorin genannt, aber die kann sich nicht ernsthaft mit dem Roman befaßt haben. Rechtschreibfehler en masse und Doppelungen überliest man nur deshalb, weil die Geschichte überzeugt.
Man würde Marenski wünschen, daß er einen Verlag findet, der sich in altbewährter Manier um einen solch lesenswerten Text kümmert. Und dem Vorstandsvorsitzenden eines Zweit-Liga-Vereins im Fußball darf man getrost ins Stammbuch schreiben, daß er sich eher um den Fußball als um Kunst sorgt.
 
Michael S. Zerban
 
Jörg Marenski – „Rheinstadion“
Düssel-Krimis .8
© 2016 Books On Demand, 272 Seiten, Broschur - ISBN-13: 9783741227516
11,- €