Schmerzlich. Und das ist gut so.

„Zeit für Legenden (Race)“ von Stephen Hopkins

von Renate Wagner

Zeit für Legenden
(Race - USA 2016)

Regie: Stephen Hopkins
Mit: Stephan James, Jason Sudeikis, Jeremy Irons, Carice van Houten, Barnaby Metschurat, David Kross u.a.
 
Es gibt Menschen, die große Leistungen vollbracht haben, aber möglicherweise vor allem wegen spektakulärer Lebensumstände in Erinnerung geblieben sind. Kein Zweifel, daß Jesse Owens (1913-1980) einer der bedeutendsten Leichtathleten seiner Zeit war. Aber hätte er nicht – als Schwarzer – bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin, im Herz von Nazi-Deutschland, vier Goldmedaillen gewonnen, wäre er nicht zu einer historischen Symbolfigur aufgestiegen. Hitler dachte nicht daran, ihm die Hand zu schütteln – aber der amerikanische Präsident auch nicht, als Owens in die USA zurückkehrte. Dies und noch viel anderes über den amerikanischen Rassismus zu zeigen, macht diesen Film von Regisseur Stephen Hopkins (im allgemeinen für Fernseh-Serien zuständig) so bemerkenswert – daß nicht nur mit dem Zeigefinger auf die anderen gedeutet, sondern auch vor der eigenen Türe gekehrt wird.
 
Es ist ein Biopic, wie man sie in letzter Zeit vermehrt in die Kinos bekommt (allerdings nur auf die wesentlichen Jahre um die Berliner Olympiade konzentriert), wobei die USA von heute vermehrt die Schicksale ihrer afroamerikanischen Bürger aufarbeiten. (Mal sehen, wie das in einem Amerika eines Donald Trump dann aussehen wird…) Der deutsche Titel „Zeit für Legenden“ ist übrigens absolut nichtssagend, während der Originaltitel „Race“ sowohl Wettstreit, Wettrennen wie auch „Rasse“ bedeutet, und um beides geht es in dieser Geschichte, die von Anfang bis zum Ende der Geschichte klar macht, mit welcher Verachtung die Schwarzen in den USA damals von ihren weißen Mitbürgern behandelt wurden.
Der junge Jesse (Stephan James spielt die Rolle in der relativ kurzen Zeit von den College-Jahren bis zur Olympiade mit starker Überzeugungskraft) muß viel leisten, bevor der Trainer Larry Snyder (Jason Sudeikis) ihm dann die Aufmerksamkeit zuwendet, die sein Ausnahmetalent verdient. Privat hat er ein Kind mit seiner Freundin Ruth, die er dann, als er berühmt wird, kurzfristig betrügt, um reumütig zurückzukehren und sie dann doch zu heiraten. Aber dieser Handlungsstrang ist nur das „Futter“ zum eigentlichen Geschehen, das sich um den Sportler abspielt.
 
Als der 23jährige dann aufgrund seiner Leistungen nach Berlin mitgenommen werden soll (wobei er selbst daran zweifelt, ob er sich dem Rassismus der Deutschen aussetzen soll), sind die Amerikaner selbst nicht ganz sicher, ob sie ihre Schwarzen und ihre Juden dort präsentieren wollen. Avery Brundage, der Baugroßunternehmer, später Präsident der Internationalen Olympischen Komitees, der hier so gar nicht sympathisch und in jeder Hinsicht höchst opportunistisch herauskommt, besteht dann auf deren Teilnahme nur, damit Amerika sozusagen einem mächtigen Deutschland gegenüber „moralisch“ Flagge zeigt.
Jeremy Irons spielt diesen Brundage, und die Szenen in die Deutschland sind besonders bemerkenswert: Denn er ließ sich dann von den Deutschen – wobei Barnaby Metschurat eine geradezu hervorragende Studie des Joseph Goebbels liefert (weit überzeugender als Markovics in dem Lida Baarova-Film) – glatt mit „Aufträgen“ kaufen. Für den „Auftritt“ des Schwarzen hat er dann die jüdischen Sportler, die man gleichfalls mitgebracht hatte, ohne weiteres geopfert.
Gezeigt wird allerdings auch, wie der junge Deutsche Carl „Luz“ Long (David Kross), der Owens unterlag, sich so sportlich und kollegial verhalten hat, wie man es im besten Fall erwarten konnte (das ist übrigens historisch erwiesen). Auch Leni Riefenstahl (Carice van Houten) erscheint nicht so penetrant unausstehlich, wie Brigitte Hobmeier sie in dem Luis Trenker-Film spielen mußte… Hitler selbst (Adrian Zwicker) huscht nur am Rande vorbei. Deutschland wird nicht unnötig hochgeputscht dramatisiert.
 
Die Szenen des Wettbewerbs (darunter der Hundert-Meter-Lauf, den Owens gewann) sind natürlich nur in Grenzen spannend, weil man weiß, wie es ausgeht – und doch empfindet man echte Freude, daß es den Deutschen damals nicht gelang, ihre „rassische Überlegenheit“ zu beweisen. (Gedreht hat man in Berlin übrigens am Originalschauplatz der damaligen Spiele, wo es heute eine Gedenktafel für Owens gibt.)
Daß der Mann, der Amerika solche Ehre gemacht hatte, nach seiner Rückkehr mit seiner Gattin ein Hotel dennoch nur durch den Lieferanten-Eingang betreten durfte – das waren die dreißiger Jahre und weit darüber hinaus. Damals hatten die Schwarzen – wie man in dieser Szene sieht und Stephan James es ganz wunderbar spielt – längst gelernt, die Demütigungen mit einer gewissen Würde hinzunehmen. Für den Zuseher sind sie schmerzlich. Und das ist gut so.
 
 
Renate Wagner