Statt Karten

von Hanns Dieter Hüsch

Foto © Paul Maaßen
Statt Karten

möchte ich hiermit bekanntgeben,
daß ich Innenminister geworden bin.
Wer hätte das gedacht?
Die Ernennung fand in aller Stille statt.
Von Gratulationsbesuchen bitten meine Frau und ich
Abstand zu nehmen.
Ich bin evangelisch, 40 Jahre alt und wiege 135 Pfund.
Eigentlich sollte ich erst Arbeitsminister werden.
Aber zwei Pöstchen auf einmal, wo gibt's denn sowas.
Und das Innere war ja schon immer mein Steckenpferd.
Ach, ist das eine Freude!
Ich muß jetzt immer dafür sorgen, daß, wenn außen eine Sache
schiefgeht, daß dann innen immer etwas los ist.
Und wenn innen eine Sache schiefgeht, daß dann außen, na,
Sie wissen schon.
Ich hab mir auch schon einen Frack gekauft.
Und wenn meine Tochter nun in der Schule wieder mal gefragt
wird: Was übt dein Vater aus?
Jetzt braucht sie nicht mehr zu drucksen, sondern kann aufstehn
und strahlend antworten: Minister.
Sollen Sie mal sehn, wie jetzt alles anders wird.
Ich habe mir auch schon einige Image-Fragen überlegt.
Ob ich unter die Zigarren-Raucher gehe? Mal sehn.
Wenn, dann natürlich bei Fernsehrundgesprächen eine lange
Zigarre, so wahr mir Gott helfe.
Meine Freunde haben natürlich gesagt, wenn das nur gutgeht,
erst Vortragskünstler und nun Minister.
Andere haben wieder gesagt, daß ich ja nun als Minister satt
würde und nun wohl die feinere Tour anschlagen würde.
Nein, habe ich denen geantwortet, ich werde auch auf diesem hin
und her geschobenen Posten dem Volke aufs Maul schauen, ich
werde die anfallenden Reden von meinem Chauffeur redigieren
lassen, ich werde mit dem Fahrrad zur Kirche fahren und meinen
Vorgarten im Rollkragenpulli umgraben.
Ja, das ist so eine Sache mit den Fragen und Antworten.
Das muß ich natürlich noch üben.
Am besten ist es, wenn man immer antwortet:
Das habe ich nicht gesagt, ich wollte lediglich zum Ausdruck bringen.
Wenn einer zum Beispiel sagt: Aber Sie haben doch, Herr Minister,
in Cuxhaven wörtlich gesagt daß man dann einfach antwortet:
Das habe ich nicht gesagt, sondern ich habe nur davon gesprochen.
Ach, wenn das doch mein Vater noch erlebt hätte, daß ich, sein
Sohn, nun Minister geworden bin, wo er doch auch in der
Verwaltung tätig war.
Meine Frau hat schon den Nerz-Blick.
Ich habe ihr aber gesagt:
Mein liebes Kind, non stolae, sed vitae discimus.


Hanns Dieter Hüsch
 


© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Zugabe" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Das Foto stellte freundlicherweise Paul Maaßen zur Verfügung.