Auf der Suche nach dem verlorenen Paradies?

Markus Henttonen – „Twisted Tales - Road to Hope“

von Frank Becker

Auf der Suche nach dem verlorenen Paradies?
 
„Markus Henttonen (*1976 in Lahti, Finnland) nimmt uns in Twisted Tales. Road to Hope mit auf eine Reise. Sein Roadmovie führt uns durch ein Land, das ist wie das Leben selbst: Er zeigt uns auf atmosphärischen Bildern scheinbar zufällig entstandene, alltägliche Situationen oder auch sehr persönliche Erfahrungen, Erinnerungsfetzen aus der Vergangenheit und traumartige Sequenzen. Und immer schimmern Emotionen durch – Freude, Langeweile, Schmerz, Verwirrung, vielleicht Hoffnung?
Nach frühen, eher dokumentarischen Serien hat Henttonen in seinen jüngeren Arbeiten zu einem narrativen Stil gefunden. Manche der Fotos in Twisted Tales haben einen weit ausgreifenden, inszenierten Charakter, wie Filmsets; manche stellen Fragen, bleiben rätselhaft. Besonders deutlich wird das bei seinem Bild eines Torschilds am Anwesen von Starkomiker Bob Hope: `This road does not lead to Bob Hope’s house. Bob is dead.´“
 
Soweit der Verlag zu diesem ohne Frage recht spannenden Fotoband mit ungewöhnlichen Perspektiven, rätselhaften Bilden, faszinierenden Landschaften und schönen Mädchen – aber auch mit einem gerüttelt Maß stinknormaler Schnappschüsse, wie ich sie als 10jähriger Bub mit meiner ersten Box gemacht habe. Oder ist das die Absicht? Könnte ja sein. Was ich allerdings nicht entdecken konnte, ist das Road Movie, die Story dieser „Twisted Tales“, die mir selbst auf verschlungenen Pfaden nicht zugänglich wurde, nicht einmal mit Hilfe des Vorworts von Jan Böttcher. Diese Deutung des Bilderkonvoluts scheint mir arg weit her geholt, erscheint die Zusammenstellung doch wahllos. Aber was soll´s – das Blättern macht Spaß, man stößt auf Schönes, auf Unerwartetes, auf Be- und Verzauberndes. Das und nicht mehr möchte ich ja, wenn ich in Bilder eines Fotografen eintauche, den ich bisher nicht kannte.


Markus Henttonen - Kass
 
Und dann, wie auf dem doppelseitigen, ein wenig verschwommenen Foto einer abendlich diesigen Landstraße, auf der sich ein Auto nähert (Road to Hope, 2015), entwickelt sich doch eine Geschichte. Oder beim Betrachten einer nackten Schönen, die rauchend an einem Fesnter sitzt. Später begegnen wir ihr noch einmal in einem Motel-Zimmer, die Tür steht offen, sie wendet uns den mit Schmetterlingen tätowierten Rücken zu, nur eines der beiden Kopfkissen ist benutzt. Warum steht dieser große Ami-Schlitten in einem lichten Waldstück neben einem Wohnwagen? Was ist da los? Und in welchem Kontext muß ich die Blonde auf der roten Luftmatratze zu den drei folgenden nächtlichen Brandungsfotos sehen? Archaische Landschaften, nächtliche Städte aus der Vogelperspektive und geradlinige Hochhausarchitekturen stehen sich gegenüber, stumme Porträts, Natur-Impressionen und immer wieder eingestreute weibliche Akte voller Reiz. Am meisten grüble ich ja über den „fliegenden Mann“ im letzten Drittel.


Markus Henttonen - Smoke
 
Die Auswahl der Bilder, die ich Ihnen zur Illustration zeigen kann, ist begrenzt und stimmt absolut nicht mit meiner Idee einer Auswahl, die ich Ihnen gerne vorgelegt hätte, überein. Aber wir zeigen Ihnen trotzdem drei davon. Mehr dürfen wir auch nicht. Wenn ja die Seiten numeriert wären, könnte ich Ihnen jetzt einen Faden in die Hand geben, sich mit meinen Augen durch dieses auch ein wenig kuriose Buch zu bewegen. Aber das müssen Sie dann schon selber tun – und Sie werden bei manchen einem der Bilder mit dem Wunsch hängenbleiben, dessen Geschichte zu kennen – oder wenigstens seinen Sinn… Die Rätsel bleiben. Das verlorene Paradies konnte ich nicht finden.


Markus Henttonen - Road to Hope, 2015
 
Markus Henttonen – „Twisted Tales - Road to Hope“
Text von Jan Böttcher, Gestaltung von Ben Jeffery
Deutsch, Englisch
© 2015 Hatje Cantz, 152 Seiten, Ganzleinen,79 Abbildungen, 25 x 30 cm, mit Lesebändchen
ISBN 978-3-7757-4047-0
45,- €
 
Weitere Informationen:  www.hatjecantz.de