Atmosphärische Dichte und hintergründig schwelender Humor

„Schrotten!“ von Max Zähle

von Renate Wagner

Schrotten!
(Deutschland – 2016)

Drehbuch und Regie: Max Zähle
Mit: Lucas Gregorowicz, Frederick Lau, Lars Rudolph, Jan-Gregor Kremp u.a.
 
Die einen tragen Anzüge und versuchen krampfhaft, Geschäfte per Telefon zu machen (auch wenn es nur verzweifelte Luftgeschäfte sind), die anderen stecken in Overalls und machen sich die Hände dreckig – zwei Welten, die selten zusammen kommen. In dem Film „Schrotten!“ von Max Zähle, der sich nach Werbe-, Musikvideo- und Kurzfilmen nun seinen ersten Spielfilm schrieb, trifft man auf die obligate Art zusammen – wenn sich nach einem Begräbnis herausstellt, daß jeder von zwei Brüdern den halben Schrottplatz des Vaters geerbt hat.
Den der Anzugträger natürlich (weil er verdammt viele Schulden hat) auf der Stelle verkaufen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden will. Den der andere Bruder, der lebenslang da gearbeitet hat und mit all seinen Leuten hier tief verwurzelt ist, natürlich gegen die gierigen Ambitionen eines Recyclingunternehmers mit dem schön-sprechenden Namen Kercher (Jan-Gregor Kremp) verteidigen möchte… auch um den Preis krimineller Aktionen (die man als Zuschauer nicht wirklich moralisch verurteilt).
 
Unvereinbare Positionen? Scheinbar. Aber: So eine Jugo-Gang (wie man in Österreich früher gesagt hätte, dort in der Nähe von Hamburg sind es vielleicht „Balkanesen“ oder was immer) hält zusammen. Auch Mirko Talhammer, der Bruder, der längst abgesprungen ist. Seine Hilfe wird dringlich gebraucht – denn Letscho Talhammer hat mit seinen Leuten etwas Irres vor: Er will eine Lok stehlen. Schienen umleiten, im Wald verstecken und dann Unmengen an Eisen besitzen… So was verlangt Logistik, und der Anzugträger hat sie. Die ruppige Bande, der man nicht im Dunkeln begegnen möchte und die nach und nach doch ganz sympathisch wird, hat sie nicht. Also – familiäres Zusammenwachsen ist angesagt.
Man hat es also mit einer Art zeitgemäßer Schelmengeschichte zu tun, über die in der Literatur so beliebten und auf der Leinwand so wirkungsvollen Existenzen am Rande der Gesellschaft. Ernsthaft darf man nicht „nach“-denken (hinterher denken), was da alles passiert, am Ende kämen ein paar Löcher in der Logik heraus. Aber atmosphärische Dichte und immer hintergründig schwelender Humor tragen den Film mühelos.
In der Hauptrolle des „feinen“ Bruders sieht man Lucas Gregorowicz, nicht nur Burgtheater-Besuchern als differenzierter Charakterdarsteller bekannt, sondern mittlerweile österreich-berühmt als einer der „Schurken“ in den „Vorstadtweibern“ (dort gibt es eigentlich ohnedies nur Schurken, wenn man es überlegt). Hier kann er, quasi im Duett mit Frederick Lau als dem tief im Schrott verankerten Bruder, eine prächtige Studie hinlegen, komödiantisch überhöht und im tieferen Sinn wahr zugleich.
 
 
Renate Wagner