Ein bißchen minimalistisch

„Song One“ von Kate Barker-Froyland

von Renate Wagner

Song One
(USA - 2014)

Regie:
Kate Barker-Froyland
Mit: Anne Hathaway, Johnny Flynn, Ben Rosenfield, Mary Steenburgen u.a.

Erstaunlich, mit wie wenig Inhalt und Aufwand man einen Film machen kann – wenn man eine ausdrucksstarke Hauptdarstellerin hat und vor allem ein Produkt für eine Zielgruppe. In diesem Fall ist es Musik, und zwar jene, die abends in den Clubs nicht nur in New York (aber in diesem Fall dort) gemacht wird. „Song One“ ist strikt ein Film für Fans, und im Grunde nicht mehr als eine Folge von Nummern, aufgeputzt mit einem Minimum an Handlung.
Immerhin, man braucht eine zentrale Identitätsfigur – es ist Franny Ellis, der man zu Beginn in Marokko bei „Feldforschung“ bei der dortigen Bevölkerung begegnet, aber sonst wenig von ihr erfährt. Es kommt auch schnell der Anruf von Mama – der Bruder hatte einen schweren Unfall, liegt im Koma, sie muß kommen. Sie tut es, nicht zuletzt aus dem schlechten Gewissen heraus, daß sie sich im Streit getrennt haben: Die Schwester konnte nicht begreifen, daß er in die Musikerszene abgetaucht ist, statt etwas Ordentliches zu tun. Und nun liegt er da in seinem Bett, wird es den ganzen Film hindurch tun, und erst am Ende winkt das Happyend (das im Leben nicht so oft passiert), daß er doch wieder erwacht.
Ein halbes Happyend, denn was sich bis dahin abgespielt hat, ist eine halbe Romanze, die nirgends hin führen konnte und der man nur folgt, weil die so wunderbar ausdrucksstarke Anne Hathaway diese Franny und ihre leicht verqueren Gefühle spielt. Wobei Regisseurin Kate Barker-Froyland keinen Zweifel läßt, daß man es ja doch mit einem Musikfilm zu tun hat, der etwas kompliziert, aber doch die Kurve kratzt.
 
Denn Franny, die in New York wenig mehr zu tun hat, als am Krankenbett von Henry (Ben Rosenfield) zu sitzen (das ist der wirklich mühselige Teil des Films) oder sich mit ihrer kritischen Mutter (Mary Steenburgen) auseinander zu setzen, tut das dramaturgisch naheliegende, sich in die Welt des Bruders zu begeben. Der berühmte Pop-Musiker James Forrester, dem der Bruder einen Song zu Begutachtung gab, hat sich wenig darum geschert. Aber als er von der schönen Schwester erfährt, daß Henry im Koma liegt, kommt er selbstverständlich ins Spital und zückt seine Gitarre (diesen Schmalz-Effekt kann man sich ja nicht entgehen lassen). Und dann zieht Franny mit diesem Star durch die Clubszene – und man kommt sich romantisch näher. Das gibt es noch.
Johnny Flynn als James Forrester spielt, was er ist, einen Folk-Pop-Sänger, der sich seine Songs selbst schreibt und das Publikum fasziniert, weil er nicht von der exzentrischen, sondern eher stillen Sorte ist. Kennt man sich in der Szene nicht aus, wird man sich schwer tun, sowohl seine Kunst zu beurteilen wie auch das, was man sonst (im Stil einer Nummernrevue) vorgesetzt bekommt. Man soll da als Kritiker nicht in Gärten wildern, in denen man fremd ist. Aber, wie gesagt, es ist ja ein Film für Fans dieses Genres, die werden schon wissen, was sie damit anfangen.
Und wenn am Ende der Bruder erwacht ist, James Forrester zu seiner nächsten Tournee aufbricht und eine sinnende Franny möglicherweise nach Marokko zurückkehrt… da ist man nicht gänzlich unzufrieden. Schön gespielt und zweifellos gut musiziert das Ganze. Bloß ein bißchen minimalistisch. Im Sinn von: Das Minimum dessen, was man von einem Film erwartet. Er stammt übrigens aus dem Jahre 2014 – seltsam, daß er bei uns überhaupt noch in die Kinos kommt, statt geradeaus in die Videotheken (gibt es die noch?) zu gehen.
 
 
Renate Wagner