Hintergründig, glorios besetzt. Und darauf kommt es an.

„A Bigger Splash“ von Luca Guadagnino

von Renate Wagner

A Bigger Splash
Frankreich, Italien /  2015

Regie: Luca Guadagnino
Mit: Tilda Swinton, Matthias Schoenaerts, Ralph Fiennes, Dakota Johnson u.a.
 
Den Sinn der Anfangsszene begreift man erst später – Tilda Swindon in einem riesigen Stadion, eine grölende Menge, sie auf der Bühne, offenbar ein glitzernder, schräger Pop Star. Und dann Ferienidylle: eine felsige italienische Insel, ein wunderbares Steinhaus, unten glitzert das Meer, ein harmonisches Paar, auch wenn sie offenbar nichts spricht. Nicht, weil sie zickig oder böse wäre, sondern weil sie sich die Stimme ruiniert hat und nach einer Operation Redeverbot hat – Marianne Lane, der Star, den auch die Inselbewohner kennen, so daß sie ihr begeistert huldigen, auf Erholungsurlaub. Und man sieht, wie ehrlich Paul De Smedt (er ist eine Art Medienkünstler) sie liebt – und sie ihn. Es gibt viel ungehemmten und dabei ehrlichen Sex. Zwei Menschen, in Ruhe, bei sich.
So sehr es um Tilda Swinton auch immer irrlichtert, hier ist sie zuerst vor allem die glückliche Frau (die darstellerisch aus ihrem erzwungenem Schweigen das Optimum holt!) Und Matthias Schoenaerts ist ohnedies der ruhige Typ, an den man sich vertrauensvoll anlehnen kann. Die Zuschauer sehen einen „Ferien-Film“ und träumen ein bißchen von intakten menschlichen Beziehungen.
 
Es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn… – der „böse Nachbar“ des Schiller-Zitats stürmt mit lauter, ungebremster Egozentrik ins Geschehen. Es ist Harry Hawkes, legendärer Manager der Pop-Szene, der Ex von Marianne, der Mann, der sie gemacht, geguidet und bevormundet hat, bevor er sie Paul in die Arme geworfen hat, weil er selbst der unruhige Typ ist. Eine Rolle, in der Ralph Fiennes explodiert, glaubhaft in seinem unreflektierten Egoismus, mit einem Mutwillen, dessen Zerstörungspotential geradezu körperlich spürbar wird (und manchmal am Rande der Übertreibung – aber es ist die Schamlosigkeit des Mannes, nicht des Schauspielers, die hier bis zum Exzess geht).
Daß Penelope, das allzu knackige junge Mädchen, das er mitbringt, seine Tochter sein soll (Dakota Johnson, ja, die von „Fifty Shades of Grey“, aber hier nicht als graue Maus, sondern als Sexbombe, die sich ihrer Reize bewußt ist) – man glaubt es am Ende, wo sie dann auch ihren Paß zeigen muß. Und dann steht bei zwei Paaren das unvermeidliche Kreuz und Quer der Beziehungen an… Harry bedrängt Marianne, Penelope bedrängt den treuen Paul, Gefühle schaukeln sich dann doch ein wenig hoch, Eifersucht, Erinnerung, Begierde, wie geht’s weiter?
 
Immer wieder wird darauf hingewiesen, daß „A Bigger Splash“ eine Neuverfilmung von „Swimming Pool“ mit Romy Schneider und Alain Delon (1969) sei, aber darauf muß man sich nicht einlassen: Die äußere Konstellation der beiden Paare mag stimmen, die psychologischen Details laufen anders und ganz selbständig (Romy war weiblicher und sexier als die Swinton, Delon ungleich intensiver als Schoenaerts, Ronet nicht annähernd so exzentrisch wie Fiennes und das Knochengespenst Jane Birkin keine Sexbombe wie Dakota).
Vor allem lässt der Krimi geradezu quälend auf sich warten, während Regisseur Luca Guadagnino (ein Sizilianer, der schon einige Male mit Tilda Swinton zusammen gearbeitet hat) schier endlos und immer stylish die Situation zelebriert – nur die Vier in dem Haus, in der Feriensituation, wie wird es weiter gehen, wann kommt es (verdammt noch mal!) endlich zum Showdown?
Einer muß sterben, sitzt dann tot im Swimmingpool – und was nun? Wenn die Polizei kommt, wenn sich unsere Überlebenden aufs Kommissariat „in der Stadt“ bewegen, dann sieht man auch die Flüchtlinge im Lager, ein winziges Aufblitzen von Hier und Jetzt in einer Welt, die sich bis dahin in ihrer hedonistischen Behaglichkeit kaum stören ließ.
Immerhin, ein kleines bißchen Spannung, ob der Schuldige Konsequenzen zu erwarten hat oder ob man „davonkommt“ – nun, nervenzerreißend ist das auch nicht.
„A bigger Splash“ lebt nicht von der Handlung, sondern einzig und allein von den Fäden, die sich zwischen den vier Protagonisten spinnen, langsam, hintergründig, manchmal zu behäbig. Kein echter Thriller, „nur“ ein erotisches Kammerspiel im Ferien-Look. Glorios besetzt. Und darauf kommt es an.
 
 
Renate Wagner