Niels Wilhelm Gade: Fantasiestücke

mit einem Gedicht von Ferdinand Avenarius

von Konrad Beikircher

Niels W. Gade
Niels Wilhelm Gade: Fantasiestücke
 
Der Däne Niels Wilhelm Gade (1817-1890) war ein äußerst fleißiger Komponist, in dessen reichem Œuvre sich neben Kirchenmusik, Kantaten, Chorwerken, Orgelmusik, zahllosen Kunstliedern, Volkstänzen, acht Sinfonien, Kammermusik für Trios, Quartette, Oktette und Klavier finden. Darunter ist auch eine Komposition aus dem Jahr 1862, die er "Fantasiestücke" nennt (Fantasistykker) hören Sie hier mal rein:  . Ein bißchen hört man schon, daß er Däne ist finde ich, die Melodien haben sowas leicht näselndes an sich und tragen einen leichten S-Fehler. Und er war von 1843 bis 1848 in Leipzig, wo er eine enge Freundschaft zu Robert Schumann und Felix Mendelssohn (der Gades 1. Sinfonie mit dem Gewandhausorchester Leipzig uraufführte) unterhielt, und auch das hört man ein bißchen, aber nicht zum Nachteil der Kompositionen. Auch Franz Liszt und Richard Wagner gehörten zu Gades engerem Freundeskreis.
Beim Ausbruch des deutsch-dänischen Krieges 1848 ist er dann zurück nach Köpönhögön, woselbst er als Organist in Holmens Kirke eine lebenslange Anstellung bekam, der Kopenhagerner Musikvereinigung vorstand und als Professor für Musik am Königlich Dänischen Musikkonservatorium viele schöne Sachen geschrieben hat, die ihn weltberühmt gemacht und der dänischen Musik ihre erste Blüte gebracht haben.

Da paßt in die Nebel über dem nordischen Dänemark – bekannt als jütländisches Küstenwallen – ein Gedicht von Ferdinand Avenarius (1856-1923):
 
Im Nebel
 
Zwischen den Felsen

Ferdinand Avenarius

An tausend Stellen
Nebelquellen:
Daraus fließt es über den Waldgrund her
Mit einem trägen,
Zähen Bewegen.
Aber nun ist alles ein Meer
Mit Inseln darin
Weißgrau im Rund –
Und der Mond, glaube mir: der Mond
Ist damit im Bund
Hält Schau über seine Heere –
Im Meere
Schwimmen sie heran, kriechen entlang
Alle in faulem, schweren Gang:
Auf den Inseln, aus den Höhlen
Ungeschlachte
Drachen. Sachte,
Fürchterlich fette Schlangen.
Riesenvögel mit schreckhaft langen
Beinen wie Stangen.

Zwischen den Palmen
Und Schachtelhalmen
Drohn sie sich mit Beißen, Stoßen Kratzen
Ungeheurer Mäuler und Tatzen.

Aber alles nur langsam,
Wie im Schlaf,
Und ohne daß eins
Das andere traf.
Sind ja alle schon lange tot,
Urlange tot.
Müssen nur spuken zur Nebelnacht.
Weil das dem Monde,
Dem schlimmen Zauberer,
Dem alten Gauner da oben
Vergnügen macht.
 
Ferdinand Avenarius

© Konrad Beikircher - Redaktion: Frank Becker