Der wahre Horror sitzt im Kopf

„10 Cloverfield Lane“ von Dan Trachtenberg

von Renate Wagner

10 Cloverfield Lane
(USA 2016)

Regie: Dan Trachtenberg
Mit: Mary Elizabeth Winstead, John Goodman, John Gallagher, Jr. u.a.
 
Irgendwo in den Südstaaten der USA. Die junge Frau hat Krach. Die junge Frau springt wütend ins Auto. Die junge Frau hat einen Unfall. Als sie erwacht, liegt sie angekettet in einem Bett in einem fensterlosen Raum. Und der Kinobesucher seufzt tief und möchte sagen: Bitte, nicht schon wieder. Nicht schon wieder Kampusch, „Raum“ und Klaustrophobie. Nicht schon wieder.
 
Und dann erweist sich „10 Cloverfield Lane“ als Überraschung, die ganz ohne Kenntnis des so erstaunlich erfolgreichen Vorgängers „Cloverfield“ aus dem Jahre 2008 zu erfahren ist. Mit dem ersten Film hat dieser kaum etwas gemeinsam als den Produzenten J.J. Abrams (und ein einziges Horror-Handlungselement, was man aber erst zu Ende des Films bestätigt bekommt). Cloverfield zum Zweiten ist deshalb Horror vom Feinen, weil er sich absolut nicht auf irgendein Gekreische angesichts von irgendwelchen Phantasieprodukten einläßt, sondern eine gewissermaßen fast real mögliche Geschichte erzählt. Und diese mit aller psychologischen Spannung.
Daß die Sache so gut funktioniert, hat mit den Darstellern zu tun, die Regisseur Dan Trachtenberg im engsten Ambiente eines Bunker-Kellers so bemerkenswert führt. Und Mary Elizabeth Winstead als Michelle, die sich gefangen findet, überzeugt mit ihrem intelligenten Gesicht ohne weiteres davon, daß sie jetzt nicht in angstvolles Gewimmere ausbricht, sondern ziemlich schnell versucht, sich zu orientieren, etwas zu unternehmen und aus einer unguten Situation das Beste zu machen.
Großartig ist es auch, den Mann, der sie festhält, diesen Howard, mit John Goodman zu besetzen, denn einerseits ist sein Image (aus vielen Filmen früherer Zeiten) so positiv, daß man ihn als das nehmen würde, was er angibt: ein Retter für Michelle aus der Not. Andererseits benimmt er sich so, gelinde gesagt, seltsam, daß man die längste Zeit nicht weiß, was man denken soll. Und das ist gut für die Spannung.
Und da ist auch noch ein dritter Mann, Emmett (sehr überzeugend: John Gallagher jr.), eher ein schlichtes Geschöpf, der aber etwas sehr gut kann, nämlich sich unter denjenigen zu ducken, der die Macht hat, und das ist Howard. Michelle hingegen beginnt unausgesprochen, aber für den Zuschauer mit Interesse zu betrachten, mit ihren Strategien…
 
Tatsache ist, daß Howard behauptet, draußen habe ein „Überfall“ auf die Erde stattgefunden und Michelle, Emmett und er seien nur in diesem sorglich ausgestatteten Bunker sicher. Nun bezweifelt man solche Aussagen gemeinsam mit Michelle, andererseits (wir sind im Kino) ist es natürlich nicht völlig ausgeschlossen. Wie sie nun einerseits beginnt, das Terrain räumlich zu erforschen, andererseits, die Männer gegen einander auszuspielen, das steigert sich in minimalen Werten in eine immer stringentere Situation hinein.
Bis es dann zur „Explosion“ so oder so (verraten möchte man es nicht) kommt, und was, wenn es denn die „Freiheit“ gäbe, auf Michelle wartet – das sollte man sich schon selbst ansehen. Das gibt eindreiviertel legitim spannende Kinostunden.
Und sagen wir so: Mögen auch „Monster“ auftauchen, Filme wie dieser beweisen es ja doch – der wahre Horror sitzt  im Kopf.
 
 
Renate Wagner