Bestsellerfressen

„Beim Häuten der Zwiebel“ von Günter Grass

von Wolfgang Nitschke

Wolfgang Nitschke - © Manfred Linke / laif
Beim Häuten seiner Zwiebel

„Beim Häuten der Zwiebel“
von Günter Grass
 
 
Meine Damen und Herren!
Die ersten zwei Sätze eines Romans sollen ja, sagt man so, für die Spannung und damit man überhaupt weiterliest, am wichtigsten sein.
Bei Grass gehen die so:
„Ob heute oder vor Jahren, lockend bleibt die Ver­suchung, sich in dritter Person zu verkappen.“ Äh, wie, verkappen? Nicht verklappen? Höhö. „Als er annähernd zwölf zählte, doch immer noch liebend gern auf Mutters Schoß saß, begann und endete etwas.“
So sahen se aus: Die ersten zwei Sätze ... und ich würd’ mal sagen: Das war’s dann auch diesmal.

Zum Geläut:
Daß ein vielgepriesener Literaturnobellangweiler und seniler Nervtöter wie Günter Grass (Ex-Waffen-SS, Blechtrommler und Tangotänzer) auf seine doofen Tage noch einmal einen solchen Furor auslösen konnte, lag natürlich nur an seinen identi­schen Kollegen, die auch nicht vergehen wollen:
Prof. Walter Jens (Ex-NSDAP): „Ich zolle großen Respekt“
Hellmuth Karasek (Ex-Napola): „Grass, diese ewige Moralkeule“,
Rolf Hochhuth (Ex-Penthouse): „Das ist einfach ekelhaft und widerlich“,
Michael Jürgs (Ex-stern): „Ich bin persönlich sehr enttäuscht“,
Martin Walser (Ex&Hopp): „Typisch normierter Denk- u. Sprachgebrauch“,
Arnulf Baring (Ex-Alles­mögliche): „Mich macht das sehr beklommen“,
Michael Wolfssohn (Bundeswehr): „Er hat sich selbst entwertet“,
Klaus Steack (Ex-Plakatemaler): „Integrität steht außer Zweifel“
und Kurt Beck (Beck): „Ich bin etwas erschrocken“.

Der beste aber ist der Joachim, Joachim C. Fest (Ex-FAZ), der noch heute seinem Kriegsverbrecher Albert Speer persönlich die Stange hält und über den Lachsack Grass sagt, er würde dem ja „nicht mal einen Gebrauchtwagen abkaufen und ver­stehe gar nicht, wie sich jemand 60 Jahre lang ständig zum schlechten Gewissen der Nation erheben kann, gerade in Nazi-Fragen, und dann erst bekennt, dass er selbst tief ver­strickt ...“ blablabla.

Zur Sache:
„Ich war in der Waffen-SS!“
Ja, mein Gott!
Auch ich bin erschüttert.
Am Boden zerstört.
Fix ’n’ fertig und sprachlos.
Ich kann nicht mehr:
Günter Grass war in der Waffen-SS!
Unser großer Günter Grass!
Unser aller Anker, unser Rückgrat, unser Halt!
Die heiße Pfeife Moralin!
Barocke Putte der Nation!
Die vorletzte Instanz der Vernunft
und allerletzte Tanke vor der Himmelfahrt!
„Ich war in der Waffen-SS!“
Mit 17. Für 3 Wochen.
Alle mal herhören!
„Mein Schweigen über all die Jahre hat mich be­drückt. Das mußte raus, endlich ...“
Ja, nee, is klar.
Logo.
Und noch was muß raus, meine Damen und Herren ...
... bzw. ist eigentlich schon raus ...
... nur hab ich selbst bisher nie drüber reden können ...
... jetzt will ich’s aber sagen ...
... denn der Günter hat mir mit seiner Erklärung Mut gemacht ...
... also ... ich ... äh ...
... vor vielen, vielen Jahren ...
... ich war noch sehr jung ...
… das soll jetzt aber nichts entschuldigen ...
... da habe ich mal ...
... also, da habe ich mal einen ...
... einen unfaßbaren Furz ins Weltall geschiss ...
oh, sehen se, ich kann’s immer noch nicht richtig aussprech ...

Zum Ende:
Meine Damen und Herren!
Als unser Nobelschwanzträger sein SS-Geschwätz dem FAZke Frank Schirrmacher ins Diktafon trompetete, da schimmelte seine Zwiebel bereits drei Wochen lang als Vorab-Exemplar auf den Wühltischen von Hunderten Kulturredakteuren rum.
3 Wochen vorher!
Hey!
Und keiner hat was gesagt!
Alle haben geschwiegen!
Man sah & hörte kein einziges Wort!
Nur warum, warum nur?
Ganz einfach:
Weil es niemand gelesen hatte!
Noch mal:
WEIL DAS BUCH NIEMAND GELESEN HATTE !
WEIL DA KEINER LUST DRAUF HATTE !!!
Hart, ne?
Aber so simpel ist das manchmal.

Sept. 2006