Beijing Dance Theatre

„Wild Grass“ - Choreographien von Yuanyuan Wang zu Texten von Lu Xun

von Frank Becker

© Beijing Dance Theatre

Beijing Dance Theatre
Wild Grass
 
Choreographie: Yuanyuan Wang – Bühne, Licht: Han Jiang - Musik: Su Cong, Biosphene und Kangding Ray, Wang Peng
 
Ich beugte mich vor und sah unter meinen Füßen
die Flamme des Feuers. Es war ein totes Feuer.
 
Auf seiner aktuellen Deutschlandtournee mit dem Programm „Wild Grass“ machte das Beijing Dance Theatre vor wenigen Tagen Station im Remscheider Teo Otto Theater. Auf Texte des chinesischen Nationaldichters Lu Xun (1881– 1936) seiner Sammlung kurzer essayistischer Prosa „Wilde Gräser“ aufgebaut, wurden drei Szenen entwickelt: „Das tote Feuer“ (Musik: Su Cong), „Der Abschied des Schattens“ (Musik: Biosphene und Kangding Ray) und „Tanz des Äußersten“ (Musik: Wang Peng). Die oft alptraumhaften Tableaus, jeweils individuell vertont, ließen den hohen tänzerischen Rang des Ensembles aus 12 Tänzerinnen und Tänzern, seine klassische Ausbildung und die intensive Beschäftigung mit Lu Xun deutlich werden. Daß die getanzten Szenen letztlich Lu Xuns Texte sehr frei interpretieren, mindert nicht die Qualität der Darbietung.

Schwankende Gräser im leichten Wind, sacht fallende Blütenblätter, eine metallisch im Dur-Diskant angeschlagene eintönige Klaviatur, dazu komplexe Formationen - von Liebeswerben, Kampf und Vergehen vor der Kulisse einer harschen Gebirgskette erzählt das Szenario „Das tote Feuer“ - und wirkt wie eine chinesische Antwort auf Strawinskys „Sacre du printemps“.
Eleganz und Schönheit biegsamer Körper im pas de deux und pas de trois zeigt „Der Abschied des Schattens“. Die durchaus humorvolle Kombination von klassischen Tanz, Kontorsion und zeitgenössischem Tanztheater mit clownesken Zügen in Anlehnung an Monty Pythons „Silly Walks“ wäre spaßiger gewesen, hätten nicht enervierend harte Bass-Drumbeats 20 Minuten lang das Trommelfell gefoltert. Sehenswert aber war es allemal, wenn auch einige wenige das wohl nicht so empfanden und nach 25 bzw. 45 Minuten weit vor der Zeit flohen. Sicher hatten sie zuhause Essen auf dem Herd stehen.

Die Welt ein Flokati? „Tanz des Äußersten“ mit berührenden Cello-Passagen im wunderschön traurigen Streichquartett schloß den Zyklus, sich
konsequent dynamisch aufbauend auf einem raffiniert ausgeleuchteten riesigen Hirtenteppich. Auch hier der Vanitas-Gedanke, ein parabelhaftes Bild des endgültigen Vergehens ohne Entkommen. Wie die vorigen Szenen eine tänzerische Perle und ebenso unzweifelhaft wie „Das tote Feuer“ unter dem prägenden Einfluß des von Pina Bausch geschaffenen modernen Tanzes stehend. Nicht allzu dicht an Lu Xuns Text, wie gesagt, jedoch allemal den Applaus wert, den der Abend von den höchstens 100 Zuschauern erhielt, die den Weg ins Theater gefunden hatten. Stehende Ovationen hätte man früher einmal erwähnt, weil sie besonders herausragende Leistungen würdigten. Heute wirkt das inflationär, weil sich die Applaudierenden damit selber feiern und ihn letztlich fast jeder bekommt.