Mainstream der feinen Art

Stan Hope - "Put On A Happy Face"

von Bernd Geisler

Grasteppich und Gänseblümchen

Was ist wohl von einem Album zu erwarten, das den Hörer auffordert, ein glückliches Gesicht zu machen? Sicherlich kein rätselhaftes, mit Trauerschwaden verbrämtes Tongefüge, auch kein schweres, zähes Ringen um Furcht und Feeling, geschweige denn düster Dissonantes, eingetaucht in dunkles Moll wie Charons Ruder in den Styx, den Fluß des Vergessens.

Nein, „Put on a Happy Face“ ist eher gedacht als Warnung denn als Hinweis. Stan Hopes Album dient der Fortsetzung des leicht be-swingten Ganges, ein lockeres Liedlein auf den geschürzten Lippen, vielleicht in Gedanken an den liebsten Menschen, getragen von der Grundstimmung einer heiteren Gelassenheit. Dieses Album dient ebensowenig dem musikalischen Stimmungswechsel, wie „Humbta, Humbta, Täterä“ einen Selbstmordattentäter bewegen kann, den Sprengstoffgürtel abzuschnallen und Gänseblümchen zu pflücken. Aber mit dieser Musik in den Ohren würde sich der Pflücker neben die Gänseblümchen ins Gras pflanzen und mit göttlicher Gleichmut das Leben im Hier und Jetzt genießen.

Stan Hope, Pianist und Swing-Jazzer der alten Schule, wollte einfach nur gute Musik machen. Keine Experimente, kein Tiefgang, kein intellektuelles Geklimper. Einfach im wahren Sinne des Wortes, rein und klar und elegant. Aber nicht oberflächlich schmalzig und seicht wie Seifenbrühe. Hope spielt Mainstream- Jazz, und er spielt guten Jazz. Er hat Ideen, er läßt es klingen, die Luft vibriert; unterschwellig kitzelt eine hintergründige Finesse die Sinne, die nach zweimaligem Einhören entspannt mitschwingen.

Ein gutes Beispiel hier ist das zweite Stück „Then I'll Be Tired of You“ (Yip Harburg, Arthur Schwartz, 1934). Das Thema scheint immer wieder durch: zum Mitsummen, zum Kopfnicken, zum Hüftenschwingen. Bassist Ray Drummond und Drummer Kenny Washington tun ihr übriges. Sie liefern den Grasteppich zu den Gänseblümchen. Houston Person setzt mit seinem Tenorsaxophon schließlich dem Ganzen die Krone auf. Sein Ton ist gerade so geschmeidig, um nicht auf Traumwolken davonzusegeln, und packt exakt dort markant zu, wo es darauf ankommt. Bei seinen Soli zum Beispiel. Schade, daß er nur auf drei Stücken mitspielt: “R.D.'s Blues", “Then I'll Be Tired of You" und "I'm Afraid the Masquerade Is Over". Das Album hätte noch mehr seines inspirierenden Spiels vertragen können. Sei es drum, Cole Porters “Easy to Love” und “They Can't Take That Away From Me” von Gershwin vibrieren auch ohne Sax.

Mein Lieblingsstück ist "Somewhere In The Night", das Thema der "Naked City" TV-Serie (USA 1958-1963). Wie Stan Hope, Ray Drummond und Kenny Washington es schaffen, mit jazziger Klarheit und feinen Fingerspitzen eine Spannung aufzubauen, die sich endlich - endlich! - entlädt in einer kurzen, klaren rhythmischen Figur - dafür lasse ich sämtliche Gänseblümchen stehen.
Beispielbild
Cover-Foto: Gene Martin

Stan Hope
Put On A Happy Face

Stan Hope (Piano)
Ray Drummond (Bass)
Kenny Washington (Drums)
Houston Person (Tenorsax)

Produzent: Houston Person

©  2005 Savant Records, Inc.

Titel:
R.D.'s Blues 04:57      
Then I'll Be Tired Of You   06:52    
My Ship  05:07                
Easy To Love   05:16      
Put On A Happy Face  06:04        
They Can't Take That Away From Me 07:28           
I'm Afraid The Masquerade Is Over  05:06         
Somewhere In The Night  05:13       
Medley [I'll Never Stop Loving You / The Island]  03:13      
K.W. Groove  04:33   

Gesamtzeit: 54:10

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