Über Busse

von Erwin Grosche

Foto © Harald Morsch

Über Busse
 
1. Ein Bus ist ein Bus, und noch ein Bus mehr sind zwei Busse. Busse halten nur an Bushaltestellen, sonst fahren sie tagein, tagaus exakt nach Busfahrplan. Wem der Bus vor der Nase wegfährt, sieht ihn von hinten, und keiner winkt und keiner weint. Auf dem Busparkplatz stehen Busse neben Bussen Spalier. Als erwarten sie hohen Besuch. Dabei sind Busse nur nicht gern allein. Die Heimat der Busse ist der Busparkplatz. Ein leerer Busparkplatz wirkt viel größer, als derselbe volle. Nichts wirkt leerer, als ein leerer Busparkplatz, nichts wirkt voller, als ein voller.
 
2. Die meisten Busse sind verwunschen und treiben mit Reklametafeln durch die Städte. Ein verwunschener Bus kann seinem Schicksal nur entrinnen durch die Selbstanzeige einer jungfräulichen Schwarzfahrerin. Ein erlöster Bus wird schwarzweiß gestrichen und darf auf Safari Nashörner rammen.
 
3. Manchmal sieht man vor lauter Bussen keine Altstädte mehr. Viele sagen, wir brauchen kleine Busse. Manche aber auch, wir brauche mehr Altstädte. Kommt Zeit, kommt Rad.
 
4. Busse haben eine Grundausstattung, zu der neben vier Reifen auch ein Lenkrad gehört. Busse besitzen kleine rote Fensterhämmerchen, die nicht nur nett anzusehen sind, sondern auch dem Busfahrgast die Möglichkeiten offen lassen, selbst während der Fahrt durch das Fenster auszusteigen. Busse sollten auch Toiletten haben, aber das glaubt niemand und schlägt lieber die Beine übereinander und malt verlegen Herzen aus.
 
5. Alle Busse sind besonders stolz auf ihre kleinen roten „Stop“-Knöpfe. Drückt der Busfahrgast den kleinen roten „Stop“-Knopf, passiert das Wunderbare. Der Busfahrer muß an der nächsten Bushaltestelle halten. Der Busfahrgast kann nun aussteigen und winken, er darf aber auch im Bus sitzen bleiben und erneut den roten „Stop“-Knopf betätigen, und wieder passiert das Wunderbare. Der Busfahrer muß an der nächsten Bushaltestelle halten. Der Busfahrgast kann nun aussteigen und winken. Er darf aber auch im Bus sitzen bleiben und erneut den roten „Stop“-Knopf betätigen, und wieder passiert das Wunderbare.
 
6. In manchen Bussen sitzen nur Amerikaner, die sprechen nur Amerikanisch, kauen Kaugummi und kleben ihn nachher unter ihre Sitze. Es sollte für den Busfahrgast selbstverständlich sein, den Busfahrer nicht durch Kaugummikauen und plötzlich „Keines-mehr-im-Mund-Haben“ zu provozieren. Der Busfahrer fährt den Bus, auch in den Kurven.
In manchen Bussen sitzen nur Fußballspieler, die haben Trainingsanzüge an und umarmen sich, wenn von ihnen Fotos gemacht werden. (Nach einem verlorenen Spiel schauen sie immer auf den Boden und knibbeln die Kaugummis der Amerikaner unter den Sitzen hervor.) Busse voller Skinheads müssen nach der Fahrt immer vollständig überholt werden. Da sind die Fahrten der Bäckerinnung und der Schornsteinfegervereinigung angenehmer, und schwarz und weiß gehören schließlich auch zusammen. Gemütlich wirken Busse, in denen nur Senioren sitzen, die singen immer, und der Bus wackelt beim Schunkeln. Schützenbrüder wissen sich nicht nur auf Hinfahrten zu benehmen. Nein, auch auf Rückfahrten liegen sie ordentlich grün auf grün gestapelt in den Gängen und kotzen nicht die teuren Sitzbezüge voll. Uaaaah! Außerdem fragen sie immer vorher, ob sie drei Kisten Bier, eine Erbsensuppe, ein Bockwürstchen und vierzehn Korn mit in den Bus bringen dürfen. Uaaah! Kinderfahrten kosten immer Busfahrernerven. Kinder weinen dauernd und müssen ewig aufs Klo. Außerdem haben sie ihren gesamten Reiseproviant schon vor der Fahrt aufgegessen und bewerfen dann den Busfahrer mit Maoamklümpchen. Niemand weiß von den Bussen der Bundeswehr. Sie sind so erstaunlich gut getarnt, daß man sie erst bemerkt, wenn man dagegen gelaufen ist. Viele Stadtbusse schauen geringschätzig auf ihre Kollegen Landbusse, weil Stadtbusse in der Stadt eine eigene Spur haben, dafür fahren bei Landbussen manchmal Hühner mit und legen Eier. Es gibt eine Prostituierte in Büren, die arbeitet in einem ausrangierten Bus, der in einem Waldgebiet auf einem Parkplatz steht. An den Scheiben hängen gelbe Vorhänge, die man zuziehen kann. Sie raucht zuviel und muß viel lachen, auch wenn nichts lustig ist. Alles in allem eine unangenehme Sache, die nur am Rande erwähnt werden soll. Es gibt Busse, die sind ganz leer, und, weil es Nacht ist, beleuchtet. Da möchte man einsteigen und mitfahren, egal wohin.
 
7. Busfahrer sind keine Gondoliere. Busfahrer sind Busfahrer. Busfahrer dürfen während der Fahrt nicht sprechen, auch nicht singen. Auch nicht so einfache Dinge wie: „Mein Hund der hat drei Zecken, drei Zecken hat mein Hund, und hätt´ er nicht drei Zecken, dann wär mein Hund gesund“ darf er nicht. Eine Verordnung, die sicherlich auch ihre Vorteile hat.
 
8 . Busfahrer altern sehr schnell, sterben im Stau und werden in kleinen schwarzen Linienbussen begraben. Busfahrer landen meistens in der Hölle, da sie dauernd in sich hineinfluchen und es in ihnen aussieht wie in einer Folterkammer für Schwarzfahrer und Kaugummikauer. Es gibt Busfahrer, die enden im Himmel, im sogenannten Busfahrerparadies. Dort liegen sie den ganzen Tag faul im Bett herum, reden und reden, kauen Kaugummi und kleben es nachher unter die Busfahrersitze. Busfahrer nennen einen solchen Tag „Bus- und Betttag“, wir hier unten diese Erscheinung am Himmel „Cumulus-Wolken“.
 
 
© 2003 Erwin Grosche
Aus: „Warmduscher-Report“