Ein sehenswerter Abend voller Selbstbezogenheit

In Wuppertal inszeniert Uwe Dreysel Heiner Müllers „Quartett“ – und sich selbst

von Martin Hagemeyer

Uwe Dreysel, Quartett – Foto © Bjoern Sieling

Drama um Einzelkämpfer
 
In Wuppertal inszeniert Uwe Dreysel
Heiner Müllers „Quartett“ – und sich selbst
 
Besetzung: Merteuil / Valmont: Uwe Dreysel - Regie: Uwe Dreysel - Produktionsdramaturgie: Mona vom Dahl - Kostüm: Elisabeth von Blumenthal - Produktionshospitanz: Nathalie Eckstein
 
Das Stück „Quartett“ beim Schauspiel Wuppertal ist ein besonderer Abend für einen Spieler – das läßt sich ebenso trocken-dramaturgisch sagen wie bezogen aufs Gesamterlebnis. Es geht im Opernhaus über die Bühne, und zwar eine, die eigentlich keine ist: das nur dreißig Zuschauer fassende Kleine Foyer mit Bar.
Zunächst einmal gilt der Satz für die Entscheidung, daß mit Uwe Dreysel nur ein Darsteller es aufführt. Eine beachtliche Reduzierung, bedenkt man die Vorgeschichte. Heiner Müller hatte den Text für zwei Figuren geschrieben: die Rivalen und Seelenverwandten Marquise de Merteuil und Vicomte de Valmont – und eigentlich für vier Figuren, wie am Titel leicht zu erraten. Zu Grunde wiederum lag der klassische Briefroman „Gefährliche Liebschaften“, in dem Choderlos de Laclos noch mehr Personen auftreten und Briefe schreiben ließ, mit Amouren rund um vier Charaktere und zwei Intriganten.
Kurz: Viele schreiben – vier, die's treiben – zwei, die bleiben. Bei soviel Konfusion auf eins zu kürzen, ist da eigentlich nur konsequent.
 
Spannender fürs Erleben ist dann aber der Spieler, also Uwe Dreysel: Müllers Stück kennt und schätzt das Ensemblemitglied seit Jahren und inszeniert es jetzt selbst – genauer: es, sich und das unstete Personeninventar. Und spielerisch ist das alles erst einmal darin, daß man das Stück insgesamt nicht zu hoch hängen muß: Ein Textabend eigentlich voller Bosheiten, szenisch anschaulich gemacht. Klar und einfach sind die Markierungen, an denen der Zuschauer die gerade gespielten Figuren auseinanderhalten kann: Eine Spielkarte ist dabei, ein Rosenkranz für die fromme Geliebte, ein Glas Wein, giftgrün gefärbt – per Fläschchen, als wirkungsvolles Bild zum Einstieg.
Zum Abend für sich selbst macht Dreysel es dann außerdem als Conférencier und Gastgeber: Hinter der Theke begrüßt der Schauspieler ganz real die Gäste und verkauft Getränke. Ein netter Spaß und eine weitere Rolle – sogar im heutigen Reigen die ungewöhnlichste überhaupt.
 
Und dann ist es schön zu beobachten, welche Spielereien der Spieler aufbietet. Das gilt wohl besonders bei solch einer Premiere mit viel Theatervolk im Publikum, das neugierig verfolgt, was dem Kollegen so alles eingefallen sein mag. Zum Conf´erencier gehört da natürlich die Musik, und die wird nonchalant auf den Plattenteller gelegt, wo's paßt. Und dann paßt trotz Oldie-Hüllen eben auch einmal Britney Spears und säuselt „I'm not that innocent“ –  wenn nämlich gerade das vornehme Objekt von Valmonts Verführungskunst dabei ist, ihre Tugend aufzugeben. Nach ihrer da schon unverständlichen Behauptung „Sie sind ein Heiliger, Valmont!“ und vor der späteren Aussage „Sie sind … sehr aufmerksam. Das haben Sie mir ein--dringlich gezeigt.“ So gesprochen dann natürlich kaum noch zweideutig: Die Verführung ist vollzogen – ungezeigt (wie auch? so einzeln), doch ganz offenkundig. 
 
Dreysel springt bei alldem vibrierend von Figur zu Figur, verkörpert den Text, sprich: macht ihn körperlich – ein Text freilich, der schon für sich funkelt von Bosheiten: „Ich habe Sie nicht in die Freiheit entlassen, damit Sie auf diese Kuh steigen“, ist noch eine der harmlosen Aussagen der Merteuil, bis hin zu viel Unziemlichem über diverse Praktiken und Körperöffnungen. Valmonts „Sie brauchen mir nicht zu sagen, daß der Wein vergiftet war“, wird dann durchs Grün im Glas explizit, denn gemeint ist auch übertragen, daß die Intrige der Marquise erfolgreich war. Der Zyniker stirbt und skandiert noch: „Was der Pöbel Selbstmord nennt, ist die Krone der Masturbation!“ Fazit: Ein sehenswerter Abend voller Selbstbezogenheit.
 
Die nächsten Termine: 18.2.2016, 11.3.2016, je 19.30 Uhr im Opernhaus Wuppertal, Kleines Foyer.
 
Weitere Informationen: www.wuppertaler-buehnen.de