Wabernde Nebel, ruchlose Verbrechen, mysteriöse Figuren

„Der Zinker“ nach Edgar Wallace im Wuppertaler TiC-Theater

von Frank Becker

© 1960 Wilhelm Goldmann Verlag
Wabernde Nebel, ruchlose Verbrechen,
fragwürdige Figuren
 
Der Zinker
 
Es ist unmöglich, von Edgar Wallace nicht gefesselt zu werden -
... wenn er im TiC-Theater inszeniert wird.
 
 
Inszenierung: Ralf Budde – Bühne: Janosch Plaumann – Kostüme: Kerstin FaberMaske: Heike KehrwischBühnenfassung: Frank Tannhäuser
Besetzung (der Premiere): Millie Trent (Anastasiia Jungk) - Beryl Stedman (Annabell Fugmann) – Lew Friedman (Hans-Willi Lukas) – Frank Sutton (Benedikt Fiebig) – Captain John Leslie (Carsten Müller) – Inspektor Elford (Lars Grube/Andreas Wirth) – Joshua Collie Phillip Flanze – Larry Graham / Tillman (Dennis Gottschalk) – Der Zinker (???)
 
Krimi auf der Bühne – wieder sehr gefragt
 
Das Wuppertaler TiC-Theater hat sich im Lauf der letzten Jahre mit „Das indische Tuch“ (2013), „Die toten Augen von London“ (2014)  und „Columbo – Mord auf Rezept“ (2015) eine vielbeachtete, gute Krimi-Tradition erspielt, was sicher auch dazu beigetragen hat, daß die aktuelle Premiere von „Der Zinker“ frei nach Edgar Wallace am Freitagabend ausverkauft war. Auch die Karten für die nächsten Vorstellungen sind bereits heiß begehrt, wissen Eingeweihte doch, daß hier solide Krimi-Kost mit Spannung, Pfiff und Augenzwinkern serviert wird. Krimi geht auch sehr gut auf der Bühne – und ist wieder sehr gefragt
Jetzt also der dritte Wallace, dessen Romanvorlage (1927) bereits 1928 seine englische Bühnenpremiere hatte und mittlerweile mehrfach mit veränderten Plots verfilmt wurde. So kam zu den eigentlichen Spannungsmomenten noch der hinzu, daß man auf keinen Fall sicher sein konnte, durch vorherige Lektüre des Romans – in der 1960er Taschenbuch-Ausgabe von Goldmann ein Klassiker - im Besitz des Schlüssels zum Geheimnis um den „Zinker“ zu sein. Regisseur Ralf Budde machte sich und dem Publikum daraus das Vergnügen, mit Hilfe seiner ausgezeichneten Besetzung raffinierten Thrill aufzubauen, vielschichtige Charaktere zu entwerfen und natürlich: falsche Spuren zu legen. 


Traust du mir nicht, trau ich dir nicht... Carsten Müller, Anastasiia Jungk - Foto  Martin Mazur
 
Starke Charaktere
 
In London treibt ein offenbar bestens informierter Verbrecher, den man deshalb den „Zinker“ nennt, in den Kreisen der Unterwelt sein Unwesen, indem er Diebe und Räuber um ihre Beute erpreßt und sie verpfeift, wenn sie nicht spuren. Stimmungsvoll neblig dient die von einer spärlichen Laterne nur matt beleuchtete nächtliche Dover Street als Ort für die Treffen – und auch als Tatort für einen Mord, den der Zinker an einem einst verratenen rachedurstigen Dieb begeht.
Währenddessen gibt der joviale Geschäftsmann Frank Sutton (Benedikt Fiebig elegant als einer der stärksten Charaktere des Abends) in seinem Betrieb entlassenen Strafgefangenen – was das für ein Unternehmen ist, bleibt unklar – eine zweite Chance, so u.a. dem zwielichtigen Tillman (Dennis Gottschalk mit viel Witz köstlich in seiner originellen Kinski-Parodie) oder dem erst kürzlich haftentlassenen „Captain“ John Leslie (effektiv verschwiegen und souverän Carsten Müller). Suttons Verlobte Beryl Stedman, zerrissen zwischen Neigung und Vernunft (Annabell Fugmann), ihr Mentor, der bürgerlich gewordene grantige Ex-Bankräuber Lew Friedman (dem wunderbaren TiC-Urgestein Hans-Willi Lukas förmlich auf den Leib geschneidert), Suttons intrigant-erotische Sekretärin Millie Trent (herrlich verrucht Anastasiia Jungk), Inspektor Elford (Lars Grube) und der Reporter Joshua Collie (Phillip Flanze) komplettieren das Personal. Apropos auf den Leib geschneidert: das hat Kerstin Faber hinreißend auch mit Lew Friedmans Garderobe bis hin zur schweren Uhrkette und Millie Trents passend giftgrünem Kostüm inklusive  60er-Jahre Hornbrille geschafft.


v.l.: Hans-Willi Lukas, Carsten Müller, Benedikt Fiebig - Foto © Martin Mazur

Spannung auf hohem Niveau
 
Wer aber nun ist der geheimnisvolle Zinker, dessen ruchlose Taten Scotland Yard und die Unterwelt gegen ihn aufbringen? Ist jede/r in der Geschichte tatsächlich, wer er zu sein vorgibt? Ralf Buddes stimmungsvoll musikalisch untermalte Inszenierung läßt sich  bis zum Schluß nicht in die Karten schauen, es bleibt mit schnellen Szenenwechseln (effektvoll die von Janosch Plaumann gestalteten Bühnenbilder) spannend auf hohem Niveau. Nebel wabern, Schüsse fallen, Masken werden gelüftet, und der Zinker entpuppt sich schließlich als … - Halt! Sie haben doch nicht im Ernst geglaubt, daß ich Ihnen das verrate? Gehen Sie ins TiC-Theater und schauen Sie sich das temporeiche Verwechslungs-Spiel mit der attraktiven, charakterlich zweifelhaften Millie Trent, dem undurchsichtigen „Captain“ Leslie, dem mißtrauischen Lew Friedman, dem etwas überforderten Inspektor Elford, dem smarten Frank Sutton, der elegant seine Zigarette auf dem silbernen Etui aufklopft, dem neugierigen Reporter Collie, der braven Beryl Stedman und dem verschlagenen Tillman (Gottschalk gibt zu Beginn auch jenen rachedurstigen Dieb Larry Graham) selbst an. Sie bekommen beste Unterhaltung. Es lohnt.


v.l.: Carsten Müller, Annabell Fugmann, Benedikt Fiebig, Anastasiia Jungk - Foto © TiC-Theater
 
Weitere Informationen:  www.tic-theater.de