Tête-à-tête mit dem Kaiser

Napoleon und die Franzosen im Rheinland (2)

von Konrad Beikircher

Tête-à-tête mit dem Kaiser (2)
 
Napoleon und die Franzosen im Rheinland

Seit der Schlacht bei Jemappe jedenfalls, 1792, die der erste große Sieg der Franzosen gegen das alte Europa in Form der Österreicher war, hat sich die Bezeichnung Carmagnole bzw. Karmangole für die Franzosen durchgesetzt. Jemappe war der Durchbruch, nach dieser Schlacht, die, wie die älteren noch wissen werden, nur ein paar tausend Gefallene forderte, damit also ziemlich angenehm verlustarm war, kam Belgien mit Brüssel und Liège an Frankreich. Jemappe heißt übrigens übersetzt: Jemappe = ich beaffe mich = ich krieg einen Affen. Oder?
Den Titel dieses revolutionären Volksliedes benutzte man in der Folge auch als Bezeichnung für ein fast kragenloses Kamisol mit kurzen Schößen, wie es von den niederen Ständen um 1790 getragen wurde. Diese Bedeutung übertrug sich wiederum auf eine besonders radikale Fraktion der Jakobiner, eben die Carmagnoles, weil diese ihre Volksnähe durch das Tragen dieses einfachen Kleidungsstücks auch optisch demonstrieren wollten.
 
Mit „Madame und Monsieur Véto“ sind Marie Antoinette und Ludwig XVI. gemeint.
Übersetzung:
Frau Veto hat versprochen,
Ganz Paris die Gurgel durchzuschneiden.
Aber ihr Plan ist fehlgeschlagen
Dank unserer Kanoniere.
Refrain
Tanzen wir die Carmagnole,
Es lebe der Schall,
Es lebe der Schall,
Tanzen wir die Carmagnole,
Es lebe der Schall der Kanonen.
Herr Veto hat versprochen,
Seinem Land treu zu sein.
Aber darin hat er gefehlt,
Lasst uns ihm keine Unterkunft bieten.
Marie Antoinette hat beschlossen,
uns auf den Hintern fallen zu lassen,
Aber ihr Plan ist fehlgeschlagen
Sie hat eins auf die Nase bekommen.
Ihr Ehemann glaubte, der Sieger zu sein,
Da kannte er uns schlecht,
Geh, Ludwig, du dicke Heulsuse,
In den Turm im Temple.
Die Schweizer haben versprochen,
Unseren Freunden Dampf zu machen,
Aber wie sie gesprungen sind!
Wie sie alle getanzt haben!
Als Antoinette den Turm sah,
Wollte sie kehrt machen.
Da wurde ihr ganz übel,
Als sie sich ehrlos sah.
 
Und in einem anderen Liedchen von 1794 erinnert sich der Autor an den 6. Oktober, der Tag an dem die Franzosen durch das Hahnentor in Köln einzogen, so:
„Der sechste Oktober, ich stund op dem Wall,
und wollt die Franzosen geen kumme sin all.
...
Peehd wie die Esel, Schwänz op de Kappen,
de Balg voll – voll Lumpen un Lappen,
Dernoh kohm et Fußvolk dat Gott sich erberm
De woren esu nackig, de woren esu ärm
Der ein hät en Botz an, der ander e’r kein,
der eine wohr groß, derr andere klein,
der ein hat ne Rock vun nem Frauminsche an
der ein von Zitz, der ander Calmang,
der ein ne Pastórs Hood, der ander en Mötz
met Flinten, met Zabels, met grovem Geschötz“
 
So geschockt waren die Kölschen über das unkonventionelle Auftreten der Franzosen, die eben keine einheitliche Uniform hatten. Vielleicht sagt seit diesem Tag jeder Elferratspräsident, wenn in ihren schmucken einheitlichen Uniformen die Ehrengarde, die Prinzengarde, die roten Funken etc. pp. die Bühne bevölkern immer denselben Satz „Ein herrliches Bild!“
Jetzt saßen die Franzosen also in Köln und mußten sich erstmal darum kümmern, die Kölschen zu zivilisieren – zumindest müssen das die Franzosen so gesehen haben, so haben sie sich bemüht, in Köln alles umzukrempeln. Dies umso mehr, als sie nach dem Frieden von Basel 1795 und vor allem dem von Campo Formio 1797, wo zuerst die Preußen und dann Resteuropa auf das Linksrheinische verzichtet hatten, absolut freie Hand bekommen hatten. Jetzt wurde umgekrempelt, was nicht nur mit der Hausnummer 4711 in Köln zu tun hatte. Das Linksrheinische mußte ja verwaltet werden und da kann man mal sagen, daß die Franzosen die einzigen, nein, die einzigsten waren, die das einigermaßen hinbekommen hatten, wenn auch nicht für lange Zeit aber dafür mit langen Nachwirkungen. Weder der Römer noch der Preuße, na ja, der schon gar nicht, haben es hinbekommen, den Rheinländer zu verwalten. Der Franzose schaffte das deshalb, wie ich vermute, weil er anders vorgegangen ist. Der hat eben nicht eine neue Ordnung gepredigt oder dem Rheinländer den rechten Winkel und die preußische Präzision beizubringen versucht, und auch beim Karneval ist der Franzose viel raffinierter als der Preuße vorgegangen: er hat ihn zunächst mal verboten, um ihn dann peu à peu wieder zu erlauben, was ja ein altes effektives Erziehungs- und Herrscherprinzip ist: nimms weg und gibs dann wieder, die Freude wird riesig sein. Daurier, der Brigade-General und Stadtkommandant in Köln hat am 12. Februar 1795 unter dem Titel:
„Freiheit, Einheit, Gleichheit, Untheilbarkeit, Verbrüderung“ den Kölschen verkündet:
 
„An den Magistrat!
 
Die Uebelgesinnten, welche, gleich dem Kameleon, alle Farben annehmen, alle Gelegenheiten ergreifen um die öffentliche Ruhe und Ordnung zu stören, werden gewiß nicht ermangeln, das, was ihr Karneval nennet, zu benutzen, um einige Unruhen anzustiften, wovon die aristokratische Horde immer einigen Vortheil zu ziehen wissen würde“
((wenn das der Guttenberg hören würde...!!))
„Um nun allem, was Ruhe und Ordnung stören kann, vorzubeugen, gebe ich euch hiermit den bestimmten Auftrag und auf eure Verantwortung, euern Mitbürgern alle Maskeraden, alles Hin- und Herlaufen auf den Gassen in Masken oder in Verkleidungen, wie diese immer sein mögen, einzeln oder zusammen, zu verbieten.
Ich verbiete zugleich und von neuem jede Art von Versammlung, sogar die Bälle, es seye dann, daß ich darzu die Erlaubnis gegeben habe; wobey ich aber von euch und dem Aufsichtsausschusse vorher Nachricht einziehen werde, ob die gute Aufführung derjenigen, welche solche Belustigungen vorschlagen, für ihre Handlungen bürge.
Ihr werdet mir in 24 Stunden die zur Folge dieses Briefes ergriffenen Maßregeln anzeigen.
Gruß und Verbrüderung
Daurier
 
Gegenwärtiges hat die Expeditions-Kanzley in beyden Sprachen zum Druck befördern, durch den Trommelschlag öffentlich verkünden und gewöhnlicher Orten anheften zu lassen.
Köln den 12. Hornung 1795“
 
Natürlich hörten das die Kölschen nicht gern und wehrten sich auf die übliche subversive Art mit Spottliedern und Dialogen, deren meiste Matthias Joseph DeNoel schrieb, dem man übrigens nicht genug dafür danken kann, daß er mit kölschem Witz die Zensur immer wieder unterlief. In einem solchen Dialog schilderte er „Meister Brezzel“, der in Paris im Theater war. Vor lauter Begeisterung spricht der nur noch französisch, was seinem Freund Wammes gar nicht gefällt.
„Ich han à Paris – so sprach Meister Brezzel – Die Komedíe gesin, Par blau quel superbe Spectacle darin“
Und Meister Wammes erwiderte:
Och kall doch dien Dütsch, dat kann ich vertragen
Dann all dat Französisch dat verdirv mir der Magen!“
 

Ich würde mich freuen, wenn Sie am kommenden Dienstag wieder reinschauen, dann erzähle ich Ihnen ein bißchen was darüber, was für Auswirkungen die Napoleonische Verwaltung auf Straßennamen, Gesundheitswesen und die Alltagssprache hatte.

In diesem Sinne
Ihr
Konrad Beikircher

Redaktion: Frank Becker