Liebesgeschichte mit Krimi-Spannung

„Carol“ von Toidd Haynes

von Renate Wagner

Carol
(USA 2015)

Regie: Todd Haynes
Mit:
Cate Blanchett, Kyle Chandler, Rooney Mara, Jake Lacy
 
Liebesgeschichten sind Liebesgeschichten, so weit sind wir heute. Daß die Gesellschaft menschliche Partner-Entscheidungen wertfrei hinnimmt und akzeptiert, war lange keine Selbstverständlichkeit. Autorin Patricia Highsmith, hoch geachtete Krimi-Lady, solange sie Süffiges wie etwa die „Ripley“-Bücher schrieb, war selbst Lesbierin. Als sie 1952 ihren Roman The Price of Salt veröffentlichte, tat sie es unter dem Pseudonym „Claire Morgan“. Denn es ist eine Geschichte über die Liebe von Frauen. Und der Gesellschaft der Fünfziger Jahre, die dergleichen noch als pervers unter den Teppich kehrte, wenn nicht sogar als „krankhaft“ verfolgte – und unter Strafe stellte.
 
„Carol“ heißt der Film (wie auch die spätere Romanausgabe unter Highsmiths eigenem Namen), und Mrs. Carol Air ist eine elegante Dame der Gesellschaft, die aus einem Nobelvorort zum Weihnachtseinkauf nach New York kommt und in einem großen Warenhaus auf eine kleine, mausartig unauffällige, aber in ihrer Art zauberhafte Verkäuferin trifft. Von Anfang an herrscht in diesem Film von Todd Haynes die besondere, flirrende Stimmung seltsamer, nicht ausgesprochener und doch spürbarer Gefühle – Cate Blanchett als Carol und Rooney Mara als Therese bringen die Atmosphäre zwischen ihnen zum Schwingen.
Mit bemerkenswerter Rücksichtslosigkeit dem fassungslosen Gatten (Kyle Chandler) gegenüber zieht die selbstbewußte Carol die junge Therese, die einen sympathischen Freund (Jake Lacy) und Ambitionen als Fotografin hat, in ihren Bann, mehr noch, in ihr Leben hinein.
Dabei hat diese Frau viel zu verlieren – die kleine Tochter, ihre soziale Stellung, damit wohl auch das verantwortungsfreie Luxusleben. Carol spannt die Möglichkeiten bis zum Zerreißen – bis beide Frauen dann zurückweichen. Und doch geht es am Ende darum, sich zu seiner Liebe und damit zu sich selbst zu bekennen. Daß dergleichen nicht triefender Kitsch wird, sondern wie eine Erlösung wirkt, dazu braucht man schon Schauspielerinnen wie diese.
 
Wobei die beiden ganz verschieden sind, die selbstbewußte Mutwilligkeit Carols, die gewissermaßen an ihren Ketten zerrt, die Ratlosigkeit Thereses, die ihre Gefühle akzeptiert, aber keine lautstarke Kämpferin ist. Eindeutig und doch diskret gelingen die Liebesszenen, da wird Gefühl gezeigt, nichts sensationshaschend ausgestellt.
Der Film von Todd Haynes besticht darüber hinaus durch sein Fünfziger Jahre-Ambiente – er hat sich die damaligen Schnulzen (mit Lana Turner und anderen Blondinen, wie Blanchett eine spielt) gut angesehen, die Wohnungen, die Autos, die Kleider, aber auch und vor allem das Gefühl der Epoche erfaßt. Die Peinlichkeit, die jedes Abweichen vom Gegebenen für die Umwelt (ob Familie, ob Anwälte, ob fassungslose beteiligte Männer) bedeutet, hat auch ihre terroristischen Züge.
Teilweise schleicht sich (wenn etwa ein Privatdetektiv die beiden Frauen verfolgt) auch Krimi-Spannung ein, zumal man – wenn man das Buch nicht kennt – nicht zu sagen wüßte, wie es ausgeht. Nun, es ist ja doch von der Highsmith…
 
Renate Wagner