Dem ewigen Bogenschützen ein Stück näher kommen

Judith Klinger – „Robin Hood – Auf der Suche nach einer Legende“

von Daniel Diekhans

Dem ewigen Bogenschützen
ein Stück näher kommen
 
Judith Klinger macht den Mythos Robin Hood
in Bild und Schrift lebendig
 
Aus dem Nichts schießt dieser Bogenschütze seine treffsicheren Pfeile ab. Seine Spur verliert sich im Dickicht. In dieses Bild faßt Judith Klinger in ihrem Buch „Robin Hood – Auf der Suche nach einer Legende“ die schillernde Gestalt aus dem Sherwood Forest, die in Büchern und auf Bildschirmen so lebendig ist wie eh und je.
Hat Robin Hood wirklich gelebt? Darüber streiten die Gelehrten bis heute. Klinger, studierte Anglistin und Germanistin, will gar nicht nach dem „wahren“ Robin Hood suchen. Ihr geht es um die Faszinationskraft, die die Figur seit Beginn ihrer schriftlichen Überlieferung im 14. Jahrhundert ausgeübt hat.
 
Auf gut 200 Seiten ist darüber hinaus Platz genug für Robins Spuren in der englischen Landschaft. So widmet Klinger ein ganzes Kapitel seinem angeblichen Grab bei der Stadt Kirklees. Komplett mit Fotos der Ruhestätte.
In drei großen Abschnitten wiederum spürt sie den Verästelungen der Überlieferung nach und zitiert ausführlich aus mittelalterlichen bis modernen Quellen. Wie es sich für eine fundierte Studie gehört, bringt der Anhang neben Literaturliste plus Filmografie auch die englischen Originalzitate. Die chronologische Darstellung erhellt die kontinuierliche Arbeit an der Legende. Am Anfang ist Robin Hood die große Ausnahme – ein Outlaw, der nicht dem adligen Stand angehört. Für die frühen Chronisten zählen seine Herkunft ebenso wenig wie die genauen Umstände seines Todes. Als „Herr des Waldes“ lebt er mit seinen Gefährten an einem geschichtsvergessenen Ort.
 
Klinger zeigt, daß erst Shakespeares Zeitgenossen für Robins Gentrifizierung sorgen. (Endlich wird das Modewort einmal auf seine ursprüngliche Bedeutung zurückgeführt!) Aus dem „yeoman“, dem freien Mann, wird Graf Robert von Huntingdon, der als Anhänger von Richard Löwenherz zum Geächteten wird. Ein Überlieferungsstrang, der sich bis zu Walter Scotts „Ivanhoe“ (1820) zieht. Mit Maid Marian bekommt der königstreue Rebell sogar eine echte Mitstreiterin.
Der romantische Nationalheld verwandelt sich im 20. Jahrhundert in eine internationale Ikone. Großen Anteil daran hat die mediale Präsenz der Figur. Im Schlussteil wird die Film- und Fernsehrezeption einer ausführlichen Analyse unterzogen. Die 1980er-Serie „Robin of Sherwood“ sieht die Autorin als originelle Ausdeutung des Stoffes, während Ridley Scotts Kinoepos von 2010 schlecht wegkommt. Denn der Versuch der „totalen Historisierung“ führe gerade zur „Demontage all dessen, was den Leinwandmythos von Robin Hood ausgemacht hat“.
 
Von wegen Historisierung! Robin Hoods Vitalität, so Klinger, lasse sich gerade mit seiner flüchtigen, instabilen Identität erklären. Ihr Buch kommt dem ewigen Bogenschützen ein gutes Stück näher und macht in lebendig. Geschichtliche, soziologische und literaturwissenschaftliche Exkurse werden immer wieder durch anschauliche Beschreibung und erzählende Passagen aufgelockert.
Das i-Tüpfelchen ist die Bilderlust des Bandes. Von mittelalterlichen Illustrationen bis hin zu Doppelseiten füllenden Gemälden und Fotos ist hier alles vertreten. Passend zum Thema sind die meisten Abbildungen im Farbton Waldmeistergrün gehalten. Ein Buch, das man wunderbar durchblättern, lesen und – Weihnachten ist ja nicht mehr weit – verschenken kann.
 
Judith Klinger – „Robin Hood – Auf der Suche nach einer Legende“
 
© 2015 Lambert Schneider Verlag, 208 Seiten, Hardcover, mit 45 Abbildungen -  ISBN 978-3-650-40054-3
29,95 €
 
Weitere Informationen unter:  www.lambertschneider.de  -  www.wbg-verlage.de